Prof. Dr. Christian Katzenmeier
Gesetzestext
(1) 1Dieselben Gründe, die einen Zeugen berechtigen, das Zeugnis zu verweigern, berechtigen einen Sachverständigen zur Verweigerung des Gutachtens. 2Das Gericht kann auch aus anderen Gründen einen Sachverständigen von der Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens entbinden.
(2) 1Für die Vernehmung eines Richters, Beamten oder einer anderen Person des öffentlichen Dienstes als Sachverständigen gelten die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften. 2Für die Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung gelten die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften.
(3) Wer bei einer richterlichen Entscheidung mitgewirkt hat, soll über Fragen, die den Gegenstand der Entscheidung gebildet haben, nicht als Sachverständiger vernommen werden.
A. Normzweck und Systematik.
Rn 1
Das Gutachtenverweigerungsrecht ist für diejenigen SV von Bedeutung, die gem § 407 zur Begutachtung verpflichtet sind, iÜ kann die Begutachtung ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. Abs 1 S 1 verweist bzgl der Gründe (klarstellend) auf die der Zeugnisverweigerung (§§ 383 ff; zur Anwendbarkeit s § 402 Rn 2 f). Abs 1 S 2 gibt dem Gericht die Möglichkeit, den SV nach Ermessen auch aus anderen Gründen von der Verpflichtung zu befreien. Dem SV steht kein korrespondierendes Recht zu. Abs 2 berücksichtigt die Belange des öffentlichen Dienstes. Abs 3 will die Zuziehung solcher Personen als SV verhindern, die wegen vorheriger Befassung mit der Sache festgelegt und insofern befangen sein könnten. Die Vorschrift gewährt (wie Abs 1 S 2) kein Verweigerungsrecht des SV. Sie ist Sollvorschrift, Entbindung nach Abs 1 S 2, ein Verstoß ist kein Verfahrensfehler (St/J/Berger § 408 Rz 12).
B. Einzelerläuterungen.
I. Abs 1 S 1.
Rn 2
Zu den Gründen s §§ 383 ff, zum Verfahren s §§ 386 bis 389. Das Verfahren erübrigt sich, wenn von der grds jederzeit bestehenden Möglichkeit (s.u.) Gebrauch gemacht wird, nach Abs 1 S 2 oder nach §§ 404 I 3, 360 S 2, 3 zu verfahren. Insoweit ist dann iRd § 405 der beauftragte oder ersuchte Richter zuständig.
II. Abs 1 S 2.
Rn 3
Von der Vorschrift kann etwa dann Gebrauch gemacht werden, wenn es gilt, Härten des Sachverständigenzwangs oder Konflikte mit Berufspflichten auszugleichen, sowie im Fall des Abs 3 (s Rn 1). Eine Befreiung kommt auch bei fehlender Kompetenz oder Verzögerungen auf Seiten des SV sowie allg zur Vermeidung eines Zwischenstreits in Betracht; grds auch zur Vermeidung eines Ablehnungsverfahrens (§ 406). Rechte der Beteiligten dürfen nicht umgangen werden (s.a. § 404a IV) und die Kostenfolgen (s § 413) sind zu berücksichtigen. Zur meist erforderlichen Anhörung s § 360 Rn 9, 4–7.
III. Abs 2.
Rn 4
Betroffen sind zum einen die Amtsverschwiegenheit und das Beratungsgeheimnis (vgl § 67 BBG, § 37 BeamtStG), insoweit hat das Prozessgericht die Genehmigung einzuholen (§ 376 III). Zum anderen sind die Vorschriften über Nebentätigkeiten zu beachten (§§ 64 ff, 97 ff BBG, § 46 DRiG und die entspr Vorschriften der Länder), die Nebentätigkeitsgenehmigung hat der Bedienstete selbst einzuholen.
IV. Abs 3.
Rn 5
Die Vorschrift bezweckt Unvoreingenommenheit (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 408 Rz 11). Sie gilt daher für Berufsrichter und ehrenamtliche Richter (zB Schöffe; Handelsrichter, §§ 105 ff GVG) aller staatlich geordneten Verfahren, zB vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten (§§ 1034 f), aber auch Ehren- und Disziplinargerichten. Maßgeblich ist die Beweisfrage, nicht der Sachverhalt. Soweit das Beratungsgeheimnis greift, gilt schon Abs 2.
V. Sonstiges.
Rn 6
Zu den Folgen einer unberechtigten Gutachtenverweigerung s § 409. Die Sachverständigenpflicht endet in den Fällen des Abs 1 S 2, Abs 3 und Abs 2 bzgl der Nebentätigkeitsgenehmigung (Dienstpflichtverletzung irrelevant) erst mit der Entbindung durch das Gericht, bei Verschwiegenheitspflichten entsteht sie erst mit Vorliegen der Genehmigung. Zur Vergütung s § 413 Rn 4–6.
C. Hinweise zur Prozesssituation.
Rn 7
Die Aspekte des § 408 sollten frühzeitig, möglichst schon vor der Bestellung berücksichtigt werden. Durch eine frühe und ausschöpfende Anwendung der §§ 404a, 407a, aber auch der §§ 404 I 3, 408 I 2, 360 S 2, 3 (s.o. Rn 2 f) können Entscheidungen und Zwischenverfahren nach §§ 408, 387 und damit unnötige Prozessverzögerungen vermieden werden.
D. Kosten und Gebühren.
Rn 8
S § 387 Rn 9. RA als Sachverständigenbeistand wie Verfahrensbevollmächtigter (Vorb 3 I VV-RVG).