Prof. Dr. Christian Katzenmeier
Gesetzestext
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
(2) 1Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. 2Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. 3Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. 4Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. 5§ 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) 1Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. 2Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
(4) 1Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. 2Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.
A. Normzweck.
I. Abs 1.
Rn 1
Die ZPO sieht mit dem Verweis in § 402 auf den Zeugenbeweis zunächst vor, dass Gutachten mündlich erstattet werden. Aus der Formulierung des Abs 1 lässt sich entnehmen, dass das Gesetz auch die Möglichkeit einer schriftlichen Gutachtenerstattung als selbstverständlich und einer mündlichen Begutachtung gleichwertig ansieht (BGHZ 6, 398 = NJW 52, 1214). In der Praxis ist schriftliche Begutachtung die Regel, sie ist zur Beantwortung schwieriger und komplexer Sachfragen, ggf nebst mündlicher Erläuterung (Abs 3 S 1), auch geboten. Das Unterschriftserfordernis soll Zweifel an der Echtheit vermeiden. Die nunmehr (seit dem G zur Änderung des Sachverständigenrechts v 11.10.16; dazu § 404 Rn 10; s.a. BTDrs 18/6985, 15; Meller-Hannich ZZP 129, 263, 283f) obligatorische Fristsetzung soll Verfahrensverzögerungen vermeiden, die in der Vergangenheit häufig aus einer zu langen Zeitspanne zwischen Ernennung und Gutachtenerstattung resultierten (krit Schneider/Schmaltz NJW 11, 3270).
II. Abs 2.
Rn 2
Dieser sieht eine Sanktionsmöglichkeit der Versäumung der Frist des Abs 1 nach Nachfristsetzung vor. Die Versäumung der Nachfrist wird dadurch der Weigerung und dem Nichterscheinen (§ 409) gleichgesetzt.
III. Abs 3.
Rn 3
Eine mündliche Erläuterung des Gutachtens kann angeordnet werden (S 1), diese kann gerade bei schwierigen und komplexen Fragestellungen geboten sein und neben eine schriftliche Ergänzung (dazu nunmehr klarstellend S 2) oder an deren Stelle treten (BGH NJW-RR 11, 475, 476 f [BGH 18.01.2011 - X ZR 165/07]: keine Pflicht ohne Aufklärungsbedarf). Die Vorschrift gibt dem Gericht die Möglichkeit vAw zu handeln, schließt die Anwendung des § 397 (über § 402) aber nicht aus. Aus dem darin geregelten Fragerecht ergibt sich ein Antragsrecht der Parteien, dem idR stattzugeben ist (s Rn 17–25). § 412 gibt darüber hinausgehend die Möglichkeit, eine neue Begutachtung durch den-/dieselben oder neue SV anzuordnen.
IV. Abs 4.
Rn 4
Dieser wurde durch das RpflVereinfG zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen in Bezug auf das Parteiverhalten angefügt.
B. Einzelerläuterungen.
I. Abs 1.
1. Mündliche oder schriftliche Begutachtung.
Rn 5
Es steht grds im Ermessen des Gerichts, ob es die persönliche Vernehmung des SV oder die schriftliche Begutachtung anordnet. Die schriftliche Begutachtung ist nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft (insb ist § 377 III nicht anwendbar und ein Einverständnis der Parteien nicht erforderlich; vgl BGHZ 6, 398 = NJW 52, 1214) und kann auch noch nach mündlicher Vernehmung erfolgen. Welche Art der Begutachtung zu bevorzugen ist, hängt vom Einzelfall ab. Bei schwierigen und komplexen Sachfragen (ggf Vorabklärung mit SV, § 404a II) kann eine schriftliche Begutachtung mit mündlicher Erläuterung geboten sein, so etwa regelmäßig in Arzthaftungsfällen (vgl EGMR NJW 11, 1055; Karlsr VersR 89, 810; Katzenmeier Arzthaftung S 412; wohl aA Schneider/Schmaltz NJW 11, 3270, 3272). Jedenfalls ist bei einem mündlich erstatteten Gutachten, das ausführliche Beurteilungen zu schwierigen Fragen enthält, nach Vorliegen des Vernehmungsprotokolls (ggf nach anderweitiger sachverständiger Beratung) den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BGHZ 219, 77, 85 = NJW 18, 2723, 2724; BGH NJW 09, 2604, 2605). Dies gilt auch, wenn bereits ein schriftliches Gutachten vorlag, das mündliche, aber neue und ausführliche Beurteilungen enthält (Recht der Stellungnahme zum Beweisergebnis, Art 103 I GG, § 136, faires Verfahren; BGH NJW 84, 1823 [BGH 17.04.1984 - VI ZR 220/82]; NJW 01, 2795 [BGH 03.07.2001 - VI ZR 418/99]); auch Ausführungen in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz sind zur Kenntnis zu nehmen, ggf ist die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, § 156 (BGH VersR 11, 1158 [BGH 30.11.2010 - VI ZR 25/09] = MedR 12, 250 [BGH 07.02.2011 - VI ZR 25/09]; NJW 88, 2302 [BGH 31.05.1988 - VI ZR 261/87]). Allg ist besondere, kritische Sorgfalt auch dann anzuwenden, wenn der Sachverständigenbeweis den Prozessausgang entscheidend beeinflusst (vgl z...