Rn 5

Bei der Beweisführung durch Urkunden müssen das Urkundenoriginal und die Reproduktionen der Urkunde unterschieden werden. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob einer Kopie jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen selbst Urkundenqualität beigemessen werden kann, so dass sie in diesem Fall taugliches Objekt eines Urkundenbeweises ist. Dabei ist zum einen festzuhalten, dass Kopien von Schriftstücken selbst schriftlich verkörperte Gedankenerklärungen enthalten können und insofern die Merkmale der Urkunde iSd ZPO erfüllen würden (MüKoZPO/Schreiber § 415 Rz 8). Dem Duplikat einer Originalurkunde kommt jedoch grds keine formelle Beweiskraft (s hierzu Rn 6) zu; deshalb ist es für die Führung eines spezifischen Urkundenbeweises untauglich (BGH NJW 92, 829, 830 [BGH 21.01.1992 - XI ZR 71/91]; Bambg BeckRS 14, 03422; Schlesw SchlHA 09, 388; Noll NJW 93, 429, 434). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Reproduktion des Originals kraft Gesetzes (s insb § 47 BeurkG) oder nach Bestimmung des Ausstellers, soweit gesetzlich zulässig, das Original im Rechtsverkehr vertreten soll (MüKoZPO/Schreiber § 415 Rz 8; Jauernig/Hess § 55 I.). Ein gescanntes Dokument ist zwar ebenfalls ein (elektronisches) Abbild; ihm kommt jedoch keine Urkundenqualität zu, da es nicht in schriftlich verkörperter Form vorliegt (Roßnagel/Wilke NJW 06, 2145, 2148; s.a. Rn 3). Gem § 371b finden jedoch die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden Anwendung für gescannte öffentliche Urkunden, die mit einem entsprechenden Transfervermerk versehen sind.

Ist die Kopie selbst noch kein taugliches Mittel zur Führung des Urkundenbeweises, kommt es für den Antritt eines Urkundenbeweises darauf an, ob dieser durch Vorlage der Originalurkunde erfolgen muss oder ob eine Reproduktion die Originalurkunde im Beweisverfahren vertreten kann (s § 435). Reicht die vorgelegte Kopie für den Antritt des Urkundenbeweises nicht aus (zur Vorlage einer Kopie der Privaturkunde § 420 Rn 5), dann ist sie lediglich ein Augenscheinsobjekt, dessen Anschauung beweisen soll, dass es eine inhaltsgleiche Originalurkunde gibt.

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