Rn 21
War ein Richter mit dem Prozessstoff schon vorher befasst, führt dieses unter den Voraussetzungen des § 41 Nr 4–6 unmittelbar zum Ausschluss (§ 41 Rn 27 ff). Ob sonstige Vorbefasstheit eine Ablehnung des Richters wg Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, ist im Einzelfall umstr, da die genannten Ausschlussgründe abschließend sind (allgM) und deswegen besondere Gründe hinzutreten müssen, um die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Einigkeit herrscht darüber, dass eine typische prozessuale Vorbefasstheit keinen Befangenheitsgrund bietet (Musielak/Voit/Heinrich § 42 Rz 14; MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 21; Zö/Vollkommer § 42 Rz 15). Gemeint sind die Fälle, in denen die Prozessordnung die erneute Befassung desselben Richters mit dem Streitstoff vorsieht oder nicht ausschließt: Mitwirkung im PKH- und Klageverfahren, Einspruchsverfahren nach VU, Mitwirkung beim Grundurt und im Betragsverfahren, beim Urkunds- und Nachverfahren, Widerspruchsverfahren nach Erlass eines Arrestes oder einer eV, im Ausgangs- und Abhilfeverfahren gem §§ 567 I, 572, im Erkenntnis- und Rügeverfahren gem § 321a, bei Entscheidungen über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung und in der Hauptsache, bei Zurückverweisungen gem §§ 538 II, 563 I 1 (s.a. § 41 Rn 31 f). Das Gesetz setzt in diesen Fällen als selbstverständlich voraus, dass der Richter bei der jew erneuten Behandlung der Sache unbefangen seine frühere Meinung überprüft und sich, wenn nötig, von ihr löst (Wieczorek/Schütze/Niemann § 42 Rz 11). Anderes gilt, wenn der Richter zugleich Mitglied eines Wahlausschusses ist und das Verfahren, an dem er mitwirkt eine Wiederholung des Wahlverfahrens zur Folge haben kann (vgl BGH, Beschl v 27.4.15 AnwZ 1/15, juris; NJW-RR 14, 1469).
Rn 22
Die Mitwirkung vorbefasster Richter an einer Entscheidung über die Niederschlagung von Gerichtskosten nach § 21 II GKG rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht, weil in diesem Verfahren nicht erneut über das zivilrechtliche Verhältnis zwischen den Parteien entschieden wird, sondern im Verhältnis einer Partei zur Staatskasse über eine Frage der Kostentragung, auch wenn es inhaltliche Berührungspunkte zur Hauptsache gibt (BGH Beschl v 2.4.09 – III ZA 2/09; Beschl v 9.7.09 – III ZR 171/07 – Rz 1, juris).
Rn 23
Auch atypische Vorbefassung führt ohne Hinzutreten besonderer Umstände ebf nicht zur Besorgnis der Befangenheit (Karlsr MDR 07, 1336 [OLG Karlsruhe 08.08.2007 - 6 U 97/07]; Zö/Vollkommer § 42 Rz 17). Hierunter sind die Fälle zu fassen, in denen es zu einer Mehrfachbefassung des Richters mit demselben Streitstoff nicht aus der Verfahrensordnung selbst, sondern aus anderen Gründen kommt. Zu denken ist an die Versetzung des erstinstanzlichen Richters an das Gericht höherer Instanz, soweit er nicht nach § 41 Nr 6 ausgeschlossen ist (s § 41 Rn 31), oder die Rückkehr des Richters zur vorigen Instanz. Das gilt auch für den Fall, dass er an einer Entscheidung gem § 563 I 2 (Verweisung an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts) mitgewirkt hat und er dann in dem ›anderen Spruchkörper‹ eingesetzt wird (Karlsr OLGZ 84, 102, 104; Wieczorek/Schütze/Niemann § 42 Rz 13; Zö/Vollkommer § 42 Rz 17). Hierunter fallen ferner Mitwirkung bei Arrest oder eV und im Hauptsacheverfahren, im Ausgangsverfahren und anschließender Vollstreckungsabwehr- oder Abänderungsklage, Tätigkeit im selbstständigen Beweis- und darauf gestütztem Hauptsacheverfahren, Vorbefassung als Strafrichter, Mitwirkung m Ausgangsverfahren und Regressprozess gg einen Prozessbevollmächtigten (BGH NJW-RR 15, 444 [BGH 18.12.2014 - IX ZB 65/13], Hamm Beschl v 21.8.13 – I 32 W 11/13 – Rz 16 f – juris; Köln Beschl v 1.7.09 – 4 W 3/09 – Rz 6, juris). Auch die Wiederaufnahme eines unter seiner Mitwirkung entschiedenen Verfahrens führt nicht zur Besorgnis der Befangenheit (BGH NJW 81, 1273 [BGH 05.12.1980 - V ZR 16/80]), es sei denn es liegen die Fälle des § 579 I Nr 2 vor oder es wird gg ihn der Vorwurf des § 580 Nr 5 erhoben (Wieczorek/Schütze/Niemann § 42 Rz 13; Zö/Vollkommer § 42 Rz 18). Dieses folgt aus dem Gegenschluss zu § 23 II StPO (BVerfGE 63, 79). Soweit im Einzelfall Gegenteiliges angenommen wird (Kobl NJW 67, 2213; Hamm NJW 70, 568; Ddorf NJW 71, 1221; Karlsr FamRZ 96, 556), wird nicht beachtet, dass dieses entgegen § 41 Nr 6 einen neuen Ausschließungsgrund schafft (Karlsr OLGZ 75, 243). Sieht er bei einer Vollstreckungsabwehrklage eine streitige Tatsache aufgrund seiner Wahrnehmung im Ausgangsverfahren gem § 291 als offenkundig an, ohne einen Gegenbeweis zuzulassen, führt das zu einer begründeten Ablehnung (BayVerfGH FamRZ 11, 655).
Rn 24
Allein die prozessuale Vorbefasstheit des Richters sowohl in früheren Verfahren einer Partei als auch in anderen gleichzeitigen Verfahren begründet selbst bei identischen Rechtsfragen für sich keinen Grund für die Annahme, der Richter sei befangen, auch wenn diese für eine Partei nachteilig entschieden worden sind (allgM; BGH Beschl v 12.4.16 – VI ZR 549/14, juris; abw Brandbg Beschl...