Gesetzestext
1Bestreitet der Gegner, dass die Urkunde sich in seinem Besitz befinde, so ist er über ihren Verbleib zu vernehmen. 2In der Ladung zum Vernehmungstermin ist ihm aufzugeben, nach dem Verbleib der Urkunde sorgfältig zu forschen. 3Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 449 bis 454 entsprechend. 4Gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass sich die Urkunde im Besitz des Gegners befindet, so ordnet es die Vorlegung an.
A. Voraussetzungen der Vorlegungsvernehmung.
I. Bestreiten des Urkundenbesitzes.
Rn 1
Der Urkundenbesitz des Beweisgegners ist Voraussetzung für die Vorlegungsanordnung des Gerichts (s § 425 Rn 1). Wenn der Beweisgegner den Urkundenbesitz bestreitet (vgl § 422 Rn 10), der Vorlegungsantrag aber iÜ begründet und die zu beweisende Tatsache erheblich ist (§ 424), sieht § 426 die Vernehmung des Beweisgegners über den Verbleib der Urkunde vor. Die Vorlegungsvernehmung ist eine besondere Form der Parteivernehmung. Sie muss somit gem § 445 II unterbleiben, wenn das Gericht überzeugt ist, dass die Urkunde sich nicht in der Verfügungsgewalt des Beweisgegners befindet (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 3). Sind mehrere Streitgenossen Beweisgegner (vgl § 421 Rn 2), dann muss die Vorlegungspflicht für jeden Streitgenossen selbstständig beurteilt werden (St/J/Berger § 426 Rz 8; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 8).
II. Bestreiten der Urkundenexistenz.
Rn 2
Das Verfahren nach § 426 bezweckt an sich nicht, dem Gericht Gewissheit über die Existenz der Urkunde zu verschaffen (MüKoZPO/Schreiber § 426 Rz 2; Musielak/Voit/Huber § 426 Rz 1). Eine Vorlegungsvernehmung ist jedoch auch dann anzuordnen, wenn die Errichtung der Urkunde feststeht, der Beweisgegner jedoch bestreitet, dass die Urkunde noch existent ist (MüKoZPO/Schreiber § 426 Rz 2; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 2). Kommt das Gericht nämlich nach der Vernehmung zu dem Ergebnis, dass der Beweisgegner die Urkunde beseitigt hat, liegt eine Beweisvereitelung vor, so dass die Behauptungen des Beweisführers gem § 444 als erwiesen angesehen werden können.
B. Verfahren.
I. Vernehmungsanordnung.
Rn 3
Bestreitet der Beweisgegner den Urkundenbesitz, ist die Vorlegungsvernehmung anzuordnen. Ein besonderer Antrag auf Vernehmung ist nicht zu stellen, da der Antrag bereits im Beweisantritt enthalten ist (B/L/H/A/G/Gehle § 426 Rz 4; St/J/Berger § 426 Rz 2; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 3). Die Vorlegungsvernehmung wird durch Beweisbeschluss nach § 426 S 3 iVm § 450 I angeordnet. Mit der Ladung ist dem Beweisgegner gem § 426 S 2 aufzugeben, sorgfältig nach dem Verbleib der Urkunde zu forschen.
II. Vernehmung, Säumnis.
Rn 4
Die Vernehmung erfolgt durch das Prozessgericht oder gem §§ 426 S 3, 451, 375 unter den Voraussetzungen des § 357 durch den beauftragten oder ersuchten Richter. Der Beweisgegner kann vereidigt werden (§§ 426 S 3, 445). Gegenstand der Vernehmung ist der Verbleib der Urkunde. Dazu gehört nicht nur die Vernehmung über den früheren oder gegenwärtigen Urkundenbesitz, sondern bei Weitergabe der Urkunde auch die Benennung der Person, an die der Beweisgegner die Urkunde weitergegeben hat. Außerdem ist der Beweisgegner erforderlichenfalls über seine Nachforschungen zum Verbleib der Urkunde zu befragen (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 6; Musielak/Voit/Huber § 426 Rz 2; B/L/H/A/G/Gehle § 426 Rz 5). Ist der Beweisgegner zum Zeitpunkt der Beweisanordnung anwesend, kann er nur dann sofort vernommen werden, wenn er Angaben über den Verbleib der Urkunde machen kann, ohne dass es einer weiteren Nachforschung bedarf (St/J/Berger § 426 Rz 5; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 4). Die Nachforschungspflicht betrifft iÜ nur den eigenen Besitzbereich des Beweisgegners, so dass ihm keine Verletzung dieser Pflicht vorgeworfen werden kann, wenn er aussagt, die Urkunde überhaupt nicht in Besitz gehabt oder den Urkundenbesitz später verloren zu haben (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 6; vgl auch MüKoZPO/Schreiber § 426 Rz 3, der die Vernehmung über Nachforschungen entgegen teilweiser Interpretation in der Literatur nicht einschränken will, sondern lediglich den Inhalt der Nachforschungspflicht konkretisiert). Trägt der Beweisgegner den Verlust der Urkunde vor, muss er sich im Hinblick auf § 444 auch über die Umstände des Verlustes äußern (Musielak/Voit/Huber § 426 Rz 2). Erscheint der Beweisgegner bereits zur Vernehmung nicht oder verweigert er die Aussage (Säumnis), kann das Gericht gem §§ 426 S 3, 453 II, 454 I, 446 den Streit über den Urkundenbesitz in freier Beweiswürdigung entscheiden. Es kann also den Urkundenbesitz als erwiesen erachten und die Vorlegung nach § 426 S 4 anordnen (B/L/H/A/G/Gehle § 426 Rz 6; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 426 Rz 5; St/J/Berger § 426 Rz 12).
III. Entscheidung nach Vernehmung.
Rn 5
Sieht das Gericht den Urkundenbesitz des Beweisgegners nach dessen Vernehmung als erwiesen an, erlässt es gem § 426 S 4 die Vorlegungsanordnung. Legt der Beweisgegner die Urkunde dann nicht vor, findet § 427 Anwendung. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Nachforschungspflicht bestand (s Rn 4), die der Beweisgegner nicht erfüllt hat, dann kann es nach § 427 die behauptete Tatsache als bewiesen ansehen. Gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass der Beweisgegner den Urkund...