Gesetzestext
Wenn eine Urkunde bei der mündlichen Verhandlung wegen erheblicher Hindernisse nicht vorgelegt werden kann oder wenn es bedenklich erscheint, sie wegen ihrer Wichtigkeit und der Besorgnis ihres Verlustes oder ihrer Beschädigung vorzulegen, so kann das Prozessgericht anordnen, dass sie vor einem seiner Mitglieder oder vor einem anderen Gericht vorgelegt werde.
A. Bedeutung der Vorschrift, Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 434 regelt eine Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355). Die Vorschrift gestattet unter bestimmten Voraussetzungen die Vorlage der Urkunde vor einem beauftragten Richter des Prozessgerichts (§ 361) oder einem ersuchten Richter eines anderen Gerichts (§ 362). Die Vorschrift gilt unabhängig davon, wer die Urkunde vorlegen soll. Sie ist im Fall des Urkundenbesitzes des Beweisführers ebenso anwendbar wie bei den Beweisanträgen nach den §§ 421 ff, 428 ff oder § 432 (St/J/Berger § 434 Rz 2; MüKoZPO/Schreiber § 434 Rz 2; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 434 Rz 1). Nach § 219 kann das Prozessgericht auch selbst an Ort und Stelle Einsicht in die Urkunde nehmen. Das Prozessgericht hat die Wahl, ob es einen Lokaltermin ansetzt oder einen Beweisbeschluss (§§ 358, 358a) nach § 434 erlässt (St/J/Berger § 434 Rz 3; B/L/H/A/G/Gehle § 434 Rz 1). Für eine Entscheidung nach § 434 ist ein förmlicher Antrag nicht erforderlich (St/J/Berger § 434 Rz 1; MüKoZPO/Schreiber § 435 Rz 2). Befindet sich die Urkunde im Ausland, so kommt eine Beweisaufnahme durch den deutschen Richter, die ein hoheitliches Handeln bedeutet, nur in Betracht, wenn die Bundesregierung ihr Einverständnis erklärt (Art 32 GG) und der ausländische Staat einverstanden ist. Innerhalb der europäischen Union ist im Anwendungsbereich der EuBVO eine unmittelbare Beweisaufnahme nach Maßgabe des Art 17 EuBVO möglich (s Kommentierung dort). Die Beweisaufnahme im Ausland im Wege der Rechtshilfe ist in § 363 geregelt.
B. Voraussetzung.
Rn 2
§ 434 lässt die Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder einem ersuchten Richter zu, wenn der Vorlegung der Urkunde vor dem Prozessgericht entweder ein erhebliches Hindernis entgegensteht oder von der Vorlage abgesehen werden soll, um den Verlust oder die Beschädigung wichtiger Urkunden möglichst auszuschließen. Dabei werden diese Voraussetzungen typischerweise kumulativ bestehen. Bspw ist die Herausgabe von Originalen der Grund-, Register- und Nachlassakten unzulässig. Gleiches gilt im Grundsatz für die Urschriften notarieller Urkunden (§ 45 BeurkG). In diesen Fällen ist jedoch ohnehin eine Vorlage des Urkundenoriginals nur in Ausnahmefällen erforderlich, da die Urschrift im Rechtsverkehr durch eine Ausfertigung vertreten wird und iÜ nach § 435 regelmäßig die Vorlage einer beglaubigten Abschrift der öffentlichen Urkunde im Beweisverfahren genügt.
C. Beweisaufnahme.
Rn 3
Die Beweisaufnahme erfolgt durch Einsichtnahme des beauftragten oder ersuchten Richters in die Urkunde. Eine Protokollierung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber sachgerecht, damit der Richter dem Prozessgericht eine zuverlässige Kenntnis vermitteln kann. Soweit erforderlich, soll das Protokoll Feststellungen enthalten, die dem Prozessgericht die Würdigung der Echtheit und des Beweiswerts der Urkunde ermöglichen (St/J/Berger § 434 Rz 4; MüKoZPO/Schreiber § 434 Rz 2). Dem Protokoll sollte eine beglaubigte Abschrift der Urkunde oder der relevanten Urkundenteile beigefügt werden.