Gesetzestext
(1) Über die Echtheit einer Privaturkunde hat sich der Gegner des Beweisführers nach der Vorschrift des § 138 zu erklären.
(2) Befindet sich unter der Urkunde eine Namensunterschrift, so ist die Erklärung auf die Echtheit der Unterschrift zu richten.
(3) Wird die Erklärung nicht abgegeben, so ist die Urkunde als anerkannt anzusehen, wenn nicht die Absicht, die Echtheit bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
A. Bedeutung der Vorschrift.
Rn 1
Voraussetzungen der formellen Beweiskraft einer Urkunde sind die Unversehrtheit (§ 419) und die Echtheit der Urkunde. Eine Urkunde ist echt, wenn sie von demjenigen ausgestellt ist, von dem sie nach der Behauptung des Beweisführers ausgestellt sein soll (MüKoZPO/Schreiber § 437 Rz 1; St/J/Berger § 437 Rz 1; R/S/G § 120 Rz 11). Die §§ 439, 440 betreffen die Echtheit von Privaturkunden (Begriff: § 416 Rn 1), für die es keine gesetzliche Vermutung gibt (anders: inländische öffentliche Urkunden, § 437). Nach einer Formel des Bundesgerichtshofs ist eine Privaturkunde echt, wenn die Unterschrift dem Namensträger zuzuordnen ist und die über der Unterschrift stehende Schrift vom Aussteller stammt oder mit dessen Willen dort steht (BGHZ 104, 172, 176; NJW-RR 15, 819, 921). Privaturkunden sind auch öffentlich beglaubigte Urkunden (Begriff: § 415 Rn 18).
Rn 2
Im Gegensatz zur Echtheit öffentlicher Urkunden unterliegt die Echtheit der Privaturkunde der Parteidisposition (MüKoZPO/Schreiber § 439 Rz 1). Der Beweisgegner kann die Echtheit anerkennen oder zugestehen, womit die Urkunde im Prozess als echt anzusehen ist (vgl § 439 III; Einschränkung: § 113 IV Nr 7 FamFG). Der Beweisführer behauptet mit der Vorlage der Privaturkunde deren Echtheit. § 439 I legt dem Beweisgegner auf, sich nach § 138 – wie über andere Tatsachen auch – zur Echtheit der Urkunde zu erklären. Hierauf hat das Gericht nach § 139 hinzuweisen (im amtsgerichtlichen Verfahren § 510). Auf die Beweislastverteilung kommt es insoweit nicht an (MüKoZPO/Schreiber § 439 Rz 1; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 439 Rz 3). Bestreitet der Beweisgegner in seiner Erklärung die Echtheit der Urkunde, was grds auch mit Nichtwissen (§ 138 IV) möglich ist, wenn der Beweisgegner nicht an der Errichtung der Urkunde mitgewirkt hat (BGH MDR 13, 486 [BGH 16.11.2012 - V ZR 179/11]), muss die Echtheit nach § 440 I bewiesen werden. Ein Nachweis ist nicht erforderlich, wenn es sich um eine namentlich unterzeichnete Urkunde handelt und die Echtheit der Namensunterschrift feststeht. Das ist insb der Fall, wenn es sich um eine öffentlich beglaubigte oder mit einem notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnete Urkunde handelt (s § 440 Rn 5). Bei öffentlich beglaubigten Urkunden oder Urkunden, die mit einem notariell beglaubigten Handzeichen versehen sind, ist deshalb keine Echtheitsfeststellung und damit auch keine Echtheitserklärung nach § 439 erforderlich.
B. Erklärung über die Echtheit.
Rn 3
Der Inhalt der Erklärung über die Echtheit richtet sich danach, ob es sich um eine namentlich unterschriebene Urkunde handelt. Bei namentlich unterschriebenen Urkunden hat der Beweisgegner sich im Hinblick auf § 440 II zur Echtheit der Namensunterschrift zu erklären (§ 439 II, zum Begriff der Namensunterschrift s § 440 Rn 4), bei nicht unterschriebenen Urkunden zur Echtheit des Urkundentextes. Ob die Unterschrift eigenhändig oder maschinell erfolgte (vgl § 416 Rn 10), ist iRd Echtheitsprüfung nicht von Bedeutung (MüKoZPO/Schreiber § 439 Rz 2; St/J/Berger § 439 Rz 5). Die Erklärung über die Echtheit kann, vorbehaltlich einer Zurückweisung wegen Verspätung (§§ 296 II, 530f), bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Prozessgericht (MüKoZPO/Schreiber § 439 Rz 2; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 439 Rz 7; s.a. BGHZ 82, 115, 119 = NJW 82, 183, 184 [Nachverfahren]) bzw noch in der Berufungsinstanz erfolgen (MüKoZPO/Schreiber § 439 Rz 2; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 439 Rz 7). Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nicht möglich, wenn die Urkunde nach der Angabe des Beweisführers von dem Beweisgegner selbst oder in dessen Beisein von einem Dritten unterzeichnet worden sein soll (vgl § 138 IV).
C. Rechtsfolgen.
Rn 4
Bestreitet der Beweisgegner die Echtheit, ist sie nach § 440 I zu beweisen. Wird die Echtheit einer Namensunterschrift anerkannt (zum Begriff s § 440 Rn 4), so hat der über der Namensunterschrift stehende Urkundentext gem § 440 II die Vermutung der Echtheit für sich. Erkennt der Beweisgegner auch die Echtheit des Urkundentextes an, steht die Echtheit bereits ohne Rückgriff auf die Vermutung des § 440 II fest. Die Anerkennung der Echtheit hat die Wirkung eines bindenden Geständnisses gem §§ 288, 290 (BGH NJW 06, 154, 157 [BGH 13.09.2005 - VI ZR 137/04]; Saarbr MDR 02, 109; MüKoZPO/Schreiber § 439 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 439 Rz 9; St/J/Berger § 439 Rz 6). Erklärt der Beweisgegner sich nicht oder nicht rechtzeitig zur Echtheit, gilt die Fiktion des § 439 III (s.a. die allgemeine Regelung in § 138 III). In Familiensachen findet § 439 wegen § 113 IV Nr 7 FamFG keine Anwendung. In diesen Verfahren ist ...