Gesetzestext
(1) Der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde kann auch durch Schriftvergleichung geführt werden.
(2) In diesem Fall hat der Beweisführer zur Vergleichung geeignete Schriften vorzulegen oder ihre Mitteilung nach der Vorschrift des § 432 zu beantragen und erforderlichenfalls den Beweis ihrer Echtheit anzutreten.
(3) 1Befinden sich zur Vergleichung geeignete Schriften in den Händen des Gegners, so ist dieser auf Antrag des Beweisführers zur Vorlegung verpflichtet. 2Die Vorschriften der §§ 421 bis 426 gelten entsprechend. 3Kommt der Gegner der Anordnung, die zur Vergleichung geeigneten Schriften vorzulegen, nicht nach oder gelangt das Gericht im Falle des § 426 zu der Überzeugung, dass der Gegner nach dem Verbleib der Schriften nicht sorgfältig geforscht habe, so kann die Urkunde als echt angesehen werden.
(4) Macht der Beweisführer glaubhaft, dass in den Händen eines Dritten geeignete Vergleichungsschriften sich befinden, deren Vorlegung er im Wege der Klage zu erwirken imstande sei, so gelten die Vorschriften des § 431 entsprechend.
A. Beweis durch Schriftvergleichung.
Rn 1
Der Beweis durch Schriftvergleichung nach den §§ 441, 442 ist ein spezieller Beweis, bei dem durch den Vergleich mit erweislich vom vermeintlichen Aussteller stammenden Schriftstücken die Urheberschaft hinsichtlich der Beweisurkunde festgestellt werden soll. Der Beweis kann sich sowohl auf den Urkundentext als auch auf die Unterschrift beziehen (MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 1). Anwendungsfeld sind jedenfalls handschriftliche Texte, weil diese durch individuelle Schriftmerkmale des Urhebers gekennzeichnet sind (St/J/Berger § 441 Rz 3; B/L/H/A/G/Gehle § 441 Rz 3; weitergehend Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 4; krit im Hinblick auf die Beweistauglichkeit: MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 1). Der Beweis durch Schriftvergleichung ist gewissermaßen ein Indizienbeweis mit Augenscheinsobjekten (BAG BB 82, 117 [BAG 08.01.1981 - 3 AZR 303/78]; St/J/Berger § 441 Rz 2; B/L/H/A/G/Gehle § 441 Rz 3). Nimmt das Gericht selbst die Schriftvergleichung vor, handelt es sich funktional um einen Augenscheinsbeweis (BGH NJW 17, 3304, 3305), bei Einschaltung eines Sachverständigen (s § 441) um einen Sachverständigenbeweis (BGH NJW 17, 3304, 3305; Zö/Geimer § 441 Rz 1; Musielak/Voit/Huber § 441 Rz 1; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 6). Wie das Gericht vorgeht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BGH NJW 17, 3304, 3305 [BGH 16.03.2017 - I ZR 205/15]).
Rn 2
Für die Beschaffung der Vergleichsschriften und den Nachweis ihrer Echtheit gelten die Regeln des Urkundenbeweises. Die Herstellung von Vergleichsschriften kann weder von dem Beweisgegner noch von einem Dritten (als Zeugen) verlangt werden. Das Gericht kann den Beweisgegner jedoch hierzu auffordern. Verweigert der Beweisgegner ohne hinreichenden Grund die Herstellung einer Vergleichsschrift, kann das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung (§ 286) die Weigerung zu seinem Nachteil berücksichtigen (MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 5; St/J/Berger § 441 Rz 5; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 11). Auf diese Möglichkeit soll das Gericht in seiner Aufforderung hinweisen (vgl B/L/H/A/G/Gehle § 441 Rz 5: kein zu deutlicher Druck, weil sonst möglicherweise Besorgnis der Befangenheit). Da die Vornahme der Schriftvergleichung eine Beweisaufnahme ist, muss die Parteiöffentlichkeit (§ 357) gewahrt sein.
B. Beweisantritt.
I. Verfügungsgewalt des Beweisführers, Verfügungsgewalt einer Behörde usw.
Rn 3
Wie der Beweis durch Schriftvergleichung anzutreten ist, richtet sich danach, in wessen Händen sich die heranzuziehende Vergleichsurkunde befindet. Übt der Beweisführer selbst die Verfügungsgewalt aus, muss er die Vergleichsurkunde vorlegen (§ 441 II Alt 1). Befindet sich die Vergleichsurkunde in der Verfügungsgewalt einer Behörde, eines Beamten oder eines Notars (vgl § 432 Rn 3), wird der Beweis gem §§ 441 II, 432 durch den Antrag angetreten, die Behörde usw um Mitteilung der Vergleichsschrift zu ersuchen.
II. Verfügungsgewalt des Beweisgegners.
Rn 4
Hat der Beweisgegner ein geeignetes Vergleichsstück in Händen, erfolgt der Beweisantritt durch den Antrag auf Vorlegungsanordnung gem §§ 442 III 2, 421. Dabei sind die Spezifizierungsanforderungen des § 424 abzuschwächen, weil bei einem Beweis durch Schriftvergleich ein beliebiges Dokument genügt, solange es nur den Schriftvergleich ermöglicht (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 13). Als strittig erwies sich, ob die Vorlegungsanordnung voraussetzt, dass der Beweisführer einen Vorlegungsgrund iSd §§ 422, 423 haben muss, oder ob vielmehr bereits aus § 441 III 1 ein eigenständiger Vorlegungsgrund entnommen werden kann. Ein Teil der Literatur verlangt unter Hinweis auf die umfassende Verweisung des § 441 III einen Vorlegungsgrund nach §§ 422, 423 (MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 3 mwN). Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Ansicht nunmehr angeschlossen (BGH NJW 17, 3304, 3306). Die Gegenansicht kann sich auf den Wortlaut des § 441 III 1 berufen (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 14). Ihr ist außerdem zuzugestehen, dass der Anwendungsbereich des § 441 III ausgesprochen beschränkt ist, wenn § 441 III 1 keinen eigenständigen Vorlegungsgrund regelt. Der Bundesgeri...