Dr. Bernd Müller-Christmann
Gesetzestext
(1) Bleibt die Partei in dem zu ihrer Vernehmung oder Beeidigung bestimmten Termin aus, so entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch etwaiger von der Partei für ihr Ausbleiben angegebener Gründe, nach freiem Ermessen, ob die Aussage als verweigert anzusehen ist.
(2) War der Termin zur Vernehmung oder Beeidigung der Partei vor dem Prozessgericht bestimmt, so ist im Falle ihres Ausbleibens, wenn nicht das Gericht die Anberaumung eines neuen Vernehmungstermins für geboten erachtet, zur Hauptsache zu verhandeln.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Parteivernehmung ist nicht erzwingbar. Verweigert die Partei die Aussage oder die Eidesleistung, gelten §§ 446, 453 II. § 454 I betrifft den Fall, dass die Partei in einem für ihre Vernehmung (oder Vereidigung) anberaumten Termin nicht erscheint. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen rechtfertigt sich eine für die ausgebliebene Partei nachteilige Beweiswürdigung. § 454 I ist somit eine Regelung über die Folgen einer Beweisvereitelung.
B. Voraussetzungen.
I. Ausbleiben.
Rn 2
Die zu vernehmende Partei ist bis zum Schluss des Termins (§ 220 II) nicht erschienen. Das persönliche Erscheinen kann nicht durch eine schriftliche Stellungnahme ersetzt werden (BGH NJW 01, 1500, 1502 [BGH 06.11.2000 - II ZR 67/99]).
II. Ordnungsgemäße Terminsbestimmung und Ladung.
Rn 3
Die Parteivernehmung muss überhaupt nach §§ 445, 446 oder § 448 zulässig sein. Erforderlich ist eine ordnungsgemäße Terminsbestimmung zur Parteivernehmung oder Eidesleistung (nicht zur bloßen Anhörung), dh der Vernehmungstermin muss in der vorangegangenen Verhandlung, falls die zu vernehmende Partei anwesend war, bekannt gegeben worden sein, andernfalls muss die Partei selbst nach § 450 I 2 persönlich mit Einhaltung der Ladungsfrist geladen worden sein. Bei Verzicht auf eine förmliche Zustellung der Ladung (vgl § 450 Rn 3) dürfte der Nachweis der Voraussetzungen nicht gelingen.
III. Fehlende Entschuldigung.
Rn 4
Als ausreichende Entschuldigung wird es auch anzusehen sein, wenn die Partei nach Erlass des Beweisbeschlusses neue Beweismittel vorgebracht und deshalb die Aussetzung ihrer Vernehmung ›beantragt‹ hat, so lange darüber nicht entschieden ist (Musielak/Voit/Huber Rz 3). Hält das Gericht die vorgebrachte Entschuldigung für unzureichend, so muss es wegen der weit reichenden Folgen Gelegenheit zur Nachbesserung geben.
C. Folgen des Ausbleibens.
I. Würdigung nach freiem Ermessen.
Rn 5
Das Gericht entscheidet nach freiem Ermessen, ob die Aussage als verweigert anzusehen ist. Wird dies bejaht, gilt § 453 II, dh es ist zu prüfen, welche Schlüsse aus der Weigerung für das Beweisthema zu ziehen sind. War der Termin zur Vernehmung oder Beeidigung der Partei vor dem Prozessgericht bestimmt, so wird anschließend zur Hauptsache verhandelt. Ist auch kein Vertreter der zu vernehmenden Partei erschienen, kann der Gegner ein Versäumnisurteil gem §§ 330 ff oder eine Entscheidung nach Lage der Akten (§ 331a) beantragen.
Rn 6
Bei Fehlen einer der unter Rn 2, 3 genannten Voraussetzungen muss ein neuer Termin bestimmt und die Partei erneut gem § 450 I 2 geladen werden; ebenso, wenn die Partei ihr Nichterscheinen ausreichend entschuldigt. Die Partei kann die Gründe für ihr Ausbleiben sowohl persönlich als auch durch ihren Prozessbevollmächtigten vorbringen. Anwaltszwang besteht insoweit nicht.
Rn 7
Würdigt das Gericht das Ausbleiben als Aussageverweigerung und erachtet es den Rechtsstreit für entscheidungsreif, ist es zweckmäßig, einen Verkündungstermin zu bestimmen, jedenfalls wenn noch mit der Möglichkeit einer nachträglichen genügenden Entschuldigung zu rechnen ist. Geht bis zum Verkündungstermin eine solche Entschuldigung ein, handelt es sich nicht um nachträgliches (uU verspätetes) Parteivorbringen, sondern um eine Erklärung einer Partei in ihrer Eigenschaft als Beweismittel. Ist die Entschuldigung ausreichend, so ist in dem Termin lediglich ein Beschl über einen neuen Termin für die Parteivernehmung (Beeidigung) zu verkünden. Geht keine oder keine ausreichende Erklärung ein, wird nach Rn 5 verfahren.
II. Sanktionen, Kosten.
Rn 8
Ordnungsmittel oder kostenrechtliche Nachteile können mangels Aussagepflicht nicht angeordnet werden (Oldbg RPfleger 65, 316; MüKoZPO/Schreiber Rz 1; Zö/Greger Rz 2; aA B/L/H/A/G/Gehle Rz 4: Verzögerungsgebühr; Wieczorek/Schütze/Völzmann-Stickelbrock Rz 5: Kosten des vergeblichen Termins und Verzögerungsgebühr).
D. Hinweise zur Prozesssituation.
Rn 9
Ist die zu vernehmende Partei nicht erschienen, ihr Prozessbevollmächtigter dagegen anwesend, sollte, sofern sich nicht aus den Angaben des Prozessbevollmächtigten Anhaltspunkte für ein absichtliches Fernbleiben ergeben, nach § 368 ein neuer Verhandlungstermin bestimmt werden. Aus dem erstmaligen Ausbleiben wird im Allgemeinen nicht der Schluss gezogen werden können, dass die Partei nicht aussagen will. Hat der Termin vor dem beauftragten oder ersuchten Richter stattgefunden, was ohnehin nur in Ausnahmefällen vorkommen wird (§ 451 Rn 1), so gibt dieser, wenn er keinen neuen Termin bestimmt, die Akten zurück.