Gesetzestext
Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.
A. Normzweck.
Rn 1
Unabhängig von dem Ablehnungsrecht der Parteien kann ein Richter Vertrauen nur beanspruchen, wenn er selbst für zweifelsfreie Unparteilichkeit sorgt (MüKoZPO/Stackmann § 48 Rz 1). Die amtliche Überschrift ist irreführend. Ein Richter kann sich nicht selbst ablehnen, auch nicht gem § 45 II Hs 2. Dem steht seine Eigenschaft als gesetzlicher Richter entgegen, über die er selbst nicht verfügen kann. Deshalb sind ihm bekannte Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten und seine Zweifel über eine mögliche Ausschließung in einem förmlichen Verfahren zu überprüfen. Den Weg hierzu eröffnet die Norm, die deswegen als Selbstanzeige verstanden wird.
B. Voraussetzung und Inhalt.
Rn 2
Der Richter hat anzuzeigen, wenn er einen Ablehnungsgrund, sei es § 42 I Hs 1 oder 2, für gegeben, möglich oder zweifelhaft hält. Auszugehen ist dabei von den Gründen einer Fremdablehnung (BGH NJW 95, 1670 [BGH 16.03.1995 - IX ZR 72/94] = MDR 95, 816 [BGH 15.12.1994 - I ZR 121/92]). Mitzuteilen sind Tatsachen, keine Gefühle oder Wertungen (Zö/Vollkommer § 48 Rz 3). In diesen Fällen hat der Richter die Amtspflicht zur Selbstanzeige. Das wird aus § 1036 I gefolgert (Zö/Vollkommer § 48 Rz 1). Die bloße Erklärung, ›Ich fühle mich befangen.‹ genügt nicht (MüKoZPO/Stackmann § 48 Rz 4); auch nicht, dass dem Richter die Befassung aus persönlichen Gründen unangenehm ist (Frankf OLGR 96, 55), oder dass er nach Aufhebung an eine ihm widerstrebende Rechtsauffassung gem § 563 S 2 gebunden ist (LG Frankfurt NJW 88, 78 [LG Frankfurt am Main 28.09.1987 - 2/24 S 217/87]). Andererseits hat der Richter sehr persönliche Tatsachen zu offenbaren, die im Normalfall der Kenntnis von Dritten entzogen sind (MüKoZPO/Stackmann § 48 Rz 4), zB ein heimliches Liebesverhältnis mit einer Partei.
C. Rechtsfolgen.
Rn 3
Die Anzeige löst die Wartepflicht des § 47 unmittelbar aus. Es gelten die dort aufgestellten Modifikationen entspr (§ 47 Rn 3 ff). Ein Verstoß gg die Pflicht begründet während des laufenden Verfahrens ein eigenes Ablehnungsrecht gem § 42 I Hs 2. Nach abgeschlossenem Verfahren kommt der Verletzung der Offenbarungspflicht keine eigenständige Bedeutung zu. War diese einer Partei vorher bekannt, trifft sie der Verlust analog § 43, war sie nicht bekannt, kann wg eines Verfahrensfehlers ein Rechtsmittel darauf gestützt werden (Zö/Vollkommer § 48 Rz 11). Das gilt ferner, wenn das Rechtsmittelgericht nicht auf einen verborgen gebliebenen Ablehnungsgrund – instanzübergreifende Richterehe – hingewiesen hat (BSG Beschl v 24.11.05 – B 9a VG – Ls 2, Rz 6 f s. § 41 Rn 32).
D. Verfahren.
Rn 4
Der Richter hat die Selbstanzeige mit Bekanntwerden des Grundes schriftlich unverzüglich zu den Sachakten zu nehmen und dem Richter des § 45 zuzuleiten (MüKoZPO/Stackmann § 48 Rz 6), spätestens vor der nächsten richterlichen Handlung. Da dem Richter die Gründe einer Selbstanzeige erst während des Verfahrens bekannt werden können, oder diese erst dann entstehen, ist zu überlegen, ob ihm für diese Fälle unaufschiebbare Handlungen auch dann zuzubilligen sind, wenn eine Ausschließung möglich ist. Steht objektiv die Besorgnis der Befangenheit im Raum, hält der Richter sich aber nicht für befangen, sollte er diesen Umstand fairerweise den Parteien zur Kenntnis bringen (München Beschl v 26.8.09 – 1 W 2051/09 – Rz 6, juris), verbunden mit der Bitte um Mitteilung, ob deswegen Misstrauen gg ihn besteht. Diese Praxis macht eine Selbstanzeige und das anschließende Verfahren regelmäßig entbehrlich, weil die Parteien erklären, aus ihrer Sicht, auf die es allein ankommt (§ 42 Rn 5), dieses nicht zu hegen. Analog § 43 gehen sie dann dieses Grundes verlustig.
Rn 5
Wird dem Gericht ein Ausschließungsgrund ohne Anzeige bekannt, hat es vAw auch ohne Anzeige zu prüfen, ob dieser eingreift. Ist er evident, bedarf es keiner Entscheidung. Der Richter scheidet ohne Weiteres aus (Zö/Vollkommer § 48 Rz 7). Für mögliche Befangenheitsgründe gilt dies nicht.
Rn 6
Das gem § 45 zur Entscheidung berufene Gericht hat die Anzeige den möglichen Beteiligten (§ 42 Rn 53) zur Kenntnis zu bringen und ihnen rechtliches Gehör zu gewähren, bevor es eine Sachprüfung vornimmt. Enthält die Anzeige keine überprüfbaren Tatsachen, führt dies nicht zur Verhinderung des Richters. Auch Beleidigungen oder die Drohung mit einer Strafanzeige machen ihn nicht befangen (§ 42 Rn 8); ebf nicht, wenn er wg einer früheren Entscheidung in einem gleichgelagerten Fall fachlich heftig kritisiert worden ist (Saarbr NJW-RR 94, 766f [OLG Saarbrücken 28.02.1994 - 5 AR 2/94-2]), anders, wenn er deswegen in Massenmedien massiv auch hinsichtlich seiner Peron heftig angegriffen worden ist. Hier ist ein weiteres Procedere sowohl für ihn, als auch für di...