Gesetzestext
(1) 1Eine hör- oder sprachbehinderte Person leistet den Eid nach ihrer Wahl mittels Nachsprechens der Eidesformel, mittels Abschreibens und Unterschreibens der Eidesformel oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. 2Das Gericht hat die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. 3Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen.
(2) Das Gericht kann eine schriftliche Eidesleistung verlangen oder die Hinzuziehung einer die Verständigung ermöglichenden Person anordnen, wenn die hör- oder sprachbehinderte Person von ihrem Wahlrecht nach Absatz 1 keinen Gebrauch gemacht hat oder eine Eidesleistung in der nach Absatz 1 gewählten Form nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.
A. Normzweck; Anwendungsbereich.
Rn 1
Zweck der Vorschrift ist – in Ergänzung zu § 186 GVG – die im Vergleich zum früheren Recht stärkere Betonung der unmittelbaren Kommunikation des Gerichts mit sinnesmäßig Behinderten (Musielak/Huber § 483 Rz 1); es werden also nicht mehr ›Stumme‹ (§ 483 aF) zwingend auf das Ab- und Unterschreiben der Eidesformel verwiesen, sondern es werden ihnen weitere Möglichkeiten eröffnet, in einen möglichst direkten Kontakt mit dem Gericht zu treten. Der in der Neuregelung enthaltene Vorteil für das Gericht liegt auf der Hand; je unmittelbarer der Kontakt des Richters zum Zeugen etc ist, umso verlässlicher ist die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit.
Rn 2
Geistig Behinderte werden von der Vorschrift nicht erfasst, sondern sind gem §§ 393, 455 II ohnehin von der Eidesleistung befreit.
Rn 3
Ob überhaupt eine einschlägige Behinderung vorliegt, wird das Gericht aus praktischen Gründen anhand des persönlichen Eindrucks vom Schwurpflichtigen entscheiden.
B. Wahlrecht des Schwurpflichtigen.
Rn 4
§ 483 II 1 gibt dem Schwurpflichtigen ein Wahlrecht, auf das ihn das Gericht gem § 483 II 3 unter Bereitstellung der geeigneten technischen Hilfsmittel (Satz 2, zB Mikrofone, Lautsprecher, Vorkehrungen zur Erstellung von Schriftstücken in Blindenschrift) hinzuweisen hat. Der Schwurpflichtige kann – nach seiner Wahl – den Eid leisten (1) durch Nachsprechen der Eidesformel, (2) durch Ab- und Unterschreiben der Eidesformel oder (3) durch einen Sprachmittler; hierunter ist jede Person zu verstehen, die zB durch Gebärden-, Schrift- oder Oraldolmetschen eine Verständigung mit dem Behinderten ermöglichen kann (BTDrs 14/9266, 69).
C. Anordnung des Gerichts.
Rn 5
Trifft der Behinderte keine Wahl oder steht die gewählte Form der Eidesleistung aus praktischen Gründen nicht zur Verfügung, so kann das Gericht nach seinem Ermessen (Musielak/Huber § 483 Rz 6; BeckOKZPO/Bechteler § 483 Rz 2) die schriftliche Eidesleistung oder die Hinzuziehung der Verständigungsperson anordnen. Dies wird etwa dann in Betracht kommen, wenn die Verständigung mittels Blinden-Punktschrift einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde (Musielak/Huber § 483 Rz 6).
D. Vermittlungsperson.
Rn 6
Ob die vom Gericht beigezogene Vermittlungsperson ihrerseits wie ein Dolmetscher belehrt und vereidigt werden muss, ist in § 483 nicht geregelt. Dem Gericht wird dabei ein Ermessensspielraum zuzubilligen sein; eine rechtsfehlerfreie Vorgehensweise wird demnach die Verpflichtung der Vermittlungsperson nach § 189 GVG, zumindest in analoger Anwendung, dann erfordern, wenn Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Übertragung oder der Auskunft bestehen (vgl BGH NJW 97, 2335, 2336 zum nämlichen strafprozessualen Problem).