Gesetzestext
(1) Beruft sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, so steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich.
(2) War der Gegner in einem Termin im selbständigen Beweisverfahren nicht erschienen, so kann das Ergebnis nur benutzt werden, wenn der Gegner rechtzeitig geladen war.
A. Pflicht zur sofortigen Prüfung des Gutachtens.
Rn 1
Zwar hat das Gericht auch das im selbstständigen Beweisverfahren vorgelegte schriftliche Gutachten auf Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Widersprüchlichkeit zu überprüfen und bei Bedenken vAw die Ergänzung zu besorgen (Frankf IBR 15, 177). Dem im selbstständigen Beweisverfahren eingesetzten Rechtsanwalt muss aber bewusst sein, dass der Richter des selbstständigen Beweisverfahrens das darin gelieferte Gutachten durchweg deshalb inhaltlich nicht intensiv überprüfen kann, weil für ihn wegen der Beschränktheit des Sachvortrags die künftige Bedeutung dieses Gutachtens in einem Rechtsstreit nicht vollständig zugänglich ist. Deshalb hat er sich bei Erhalt des schriftlichen Gutachtens mindestens die Fragen vorzulegen, ob der Sachverständige die Beweisfrage zutr erfasst und ergiebig beantwortet hat, ob er dabei von zutreffenden und verlässlichen Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist, ferner ob methodengerecht untersucht und die Ergebnisse plausibel sowie widerspruchsfrei dargestellt worden sind (Ddorf OLGR 07, 195; Frankf NJW 07, 852); er prüft insbesondere, ob der Anspruch seiner Partei auf eine nachvollziehbar begründete und belegte Beantwortung der Beweisfragen durch den Sachverständigen dergestalt erfüllt worden ist, dass dieses Gutachten – ggf durch Dritte – auf Plausibilität überprüft werden kann (Hamm IBR 15, 1055). Ergeben sich dem RA insoweit Bedenken, muss er noch im selbstständigen Beweisverfahren reagieren; verletzt er diese Pflicht zur sorgfältigen Auseinandersetzung und entsteht seiner Partei nachfolgend ein Schaden, kann er ersatzpflichtig sein (Brandbg NZM 06, 719 [BGH 15.02.2006 - XII ZR 202/03]).
B. Verwertung des Beweisergebnisses im Hauptsacherechtsstreit (Abs 1).
I. Beweiswert der selbstständigen Beweiserhebung.
Rn 2
Tatsächliche günstige Erkenntnisse aus einem vorherigen selbstständigen Beweisverfahren, die über den schriftsätzlichen Tatsachenvortrag hinausgehen, sind zu berücksichtigen, wenn sich die Partei diese ausdrücklich oder konkludent als Sachvortrag zu eigen macht (Ddorf IBR 13, 1317). IÜ erweist sich die Beweiserhebung im Hauptsacheprozess als vorweg, eben ›selbstständig‹, durchgeführte Beweisaufnahme dieses Hauptsacheprozesses. Zum auslandsbezogenen selbstständigen Beweisverfahren § 486 Rn 11. § 493 gestaltet sich als das Bindeglied zwischen dem selbstständigen Beweisverfahren und dem Hauptsacheprozess (Voit FS Thode 05, 340). Für die Verwertung des Ergebnisses des selbstständigen Beweisverfahrens bedarf es keines Parteiantrages; es genügt, dass sich eine Partei auf eine Tatsache beruft, über die Beweis erhoben wurde und die weiterhin streitig ist. Zusätzlicher Vortrag des Ergebnisses der selbstständigen Beweisaufnahme ist auch dann nicht erforderlich, wenn das selbstständige Beweisverfahren nicht vor dem Hauptsachegericht stattfand; § 285 II ist nicht anwendbar (Köln OLGR 04, 390; Ddorf BauR 07, 2115. AA St/J/Berger § 493 Rz 1).
Rn 3
Teilidentität des Verfahrensgegenstandes des selbstständigen Beweisverfahrens und der Hauptsache genügen (Hamm NJW-RR 08, 950 [OLG Hamm 22.11.2007 - 22 U 110/07]). Verwertbarkeit ist gegeben bei Identität der Beteiligten des selbstständigen Beweisverfahrens und des Hauptsacheverfahrens; auf eine Übereinstimmung der konkreten Parteistellung kommt es nicht an. Werden Ansprüche nach Anhängigkeit der Klage abgetreten, kann das Ergebnis des zuvor von dem Zedenten geführten selbstständigen Beweisverfahrens in dem seitens des Zessionars gegen den Antragsgegner geführten Hauptsacheverfahren verwendet werden (Frankf 1.10.14 – 22 W 46/11). Wird das selbstständige Beweisverfahren gegen eine KG geführt und richtet sich das Hauptsacheverfahren auch gegen die persönlich haftende Gesellschafterin dieser KG, ist das Gutachten jedenfalls dann im Verhältnis dieser persönlich haftenden Gesellschafterin gem § 493 I verwertbar, wenn insoweit im Hauptsacheverfahren keine Rüge erfolgte; dann tritt nämlich Heilung gem § 295 ein (Frankf 7.12.10 – 5 U 95/09; Musielak/Huber § 493 Rz 3); andernfalls dürfte § 411a anwendbar sein. Ebenfalls ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Beteiligte des selbstständigen Beweisverfahrens an dem Hauptsacheprozess beteiligen. Bei im selbstständigen Beweisverfahren wirksam erfolgter Streitverkündung kann das Ergebnis der selbstständigen Beweisaufnahme im Prozess zwischen dem Streitverkünder und dem Streitverkündungsempfänger entsprechend § 66 benutzt werden. Betreffend eine nicht am selbstständigen Beweisverfahren beteiligt gewesene Partei des Hauptsacheverfahrens kann das Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens gegen ihren Willen nicht gem § 493 verwertet werden; ihr ggü ist aber eine neue gerichtliche Anhörung des bereits im selbstständigen Beweisverfahren eingesetzt gewesenen gerichtlichen Sachverst...