Rn 3
Diese Besonderheiten sind in erster Linie den unterschiedlichen Anforderungen an die Verfahrensgestaltung bei Amts- und Landgerichten aufgrund deutliche höherer Verfahrenszahlen einerseits und regelmäßig (bis auf etwa die Mietsachen) geringerer Einzelstreitwerte andererseits geschuldet. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um folgende:
I. Kein Anwaltszwang.
Rn 4
Das grundsätzliche Fehlen des Anwaltszwanges mit den daran anknüpfenden anderweitigen Optionen für die Parteien zur Regelung ihrer Prozessvertretung (etwa in §§ 79, 83 II und 90) stellt eine weitere Besonderheit dar.
II. Verfahrensvereinfachung.
Rn 5
Möglichkeiten zur Verfahrensvereinfachung. Dazu gehören etwa die Entbehrlichkeit einer Vorbereitung durch Schriftsätze, § 129 I (mit der Ausnahmeregelung in § 129 II, aber auch §§ 275–277), bzw die Möglichkeit der mündlichen Anbringung von Erklärungen etc zu Protokoll der Geschäftsstelle, §§ 496, 129a, die abgekürzten Ladungsfristen gem § 217 und Vereinfachung der Ladung gem § 497, die Eröffnung einer Verweisungsmöglichkeit des Verfahrens gem § 506 an das LG als Ausnahme zu § 261 III 2, die bedingte Verurteilung zur Schadensersatzleistung gem § 510b über die Regelung in § 255 hinaus, insb jedoch das Verfahren nach billigem Ermessen gem § 495a.
III. Fürsorgepflichten.
Rn 6
Die damit einhergehenden Gefahren für die Belange der Parteien bedingen allerdings wiederum erhöhte Fürsorgepflichten des Gerichts zu deren Schutz. Es sind dies bspw die gesetzlich ausdrücklich normierten Hinweis- und Belehrungspflichten gem § 499 I (fehlender Anwaltszwang), §§ 499 II, 307 (Folgen schriftlichen Anerkenntnisses) und §§ 504, 39 S 2 (Zuständigkeitsmängel), aber auch die aus dem Verzicht auf den Anwaltszwang herrührende Prüfung des Mangels der Prozessvollmacht vAw gem § 88 II bzw die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 121 II, die von § 439 III abweichende Regelung in § 510 (Erklärung zu vorgelegten Urkunden) oder die von § 160 IV abweichende Pflicht gem § 510a zur Protokollierung wesentlicher Parteierklärungen. Einer aus Fürsorgegesichtspunkten über diese gesetzlich geregelten Besonderheiten hinausgehenden weitergehenden Hinweispflicht des Gerichts als im Anwaltsprozess bei der Anwendung von § 139 I–III dürfte unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes entgegenstehen, dass es einer Partei auch im Verfahren vor dem AG jederzeit frei steht und – ggf unter Inanspruchnahme von PKH – auch möglich ist, sich anwaltlichen Beistandes zu bedienen, dies sogar durch Sonderregelungen erleichtert wird – vgl § 121 II (so im Ergebnis wohl auch MüKoZPO/Deubner Rz 1, 4; aA B/L/H/A/G/Bünnigmann Vor § 495 Rz 3; einschränkend Zö/Greger § 139 Rz 12 und Herget Rz 3; Musielak/Wittschier Rz 1).