Rn 7
Nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, weil nicht vom ›Verfahren‹ iSd § 495a S 1 erfasst, sind jedenfalls das gesamte materielle Recht (LG Baden-Baden NJW 94, 1088 mwN), die Vorschriften über Rechtsweg und Zuständigkeit, die Bindung an die Anträge der Parteien gem § 308 I sowie insb die Beweislastregeln (Musielak/Wittschier Rz 5 mwN). Raum für richterliche Gestaltungsfreiheit bleibt insoweit in erster Linie im Hinblick auf die Durchführung der Beweisaufnahme gem §§ 355–455 (Musielak/Wittschier Rz 6; MüKoZPO/Deubner Rz 13). Einen erheblichen Vereinfachungs- und Beschleunigungseffekt bietet jedoch auch die Möglichkeit, iRd Verfahrens nach § 495a ohne die sonst in § 128 II geregelten Einschränkungen im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, auch in dieses noch nach Anberaumung eines Verhandlungstermins zu wechseln, wenn nicht eine der Parteien gem § 495a S 2 die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Eine Klageabweisung direkt nach Eingang der Klage ohne die Klageerwiderung abzuwarten (so – zu weitgehend – eine sich bei einigen Amtsgerichten ausbreitende Praxis, vgl AG Meldorf MDR 10, 976 [AG Meldorf 01.04.2010 - 81 C 204/10], AG Bergen auf Rügen v 19.10.12 – 23 C 381/12, AG Stralsund v 14.3.16 – 25 C 31/16), verbietet sich jedoch, da den Parteien – in diesem Fall insb auch dem Kläger – zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zumindest die Anordnung des vereinfachten schriftlichen Verfahrens mitgeteilt werden muss (so ausdrückl BVerfG v 9.10.19 – 1 BvR 2884/18, vgl auch Rn 5). Nach der Rspr des BVerfG ist zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör den Parteien grds eine Stellungnahmefrist zu gewähren (BVerfG v 20.9.12 – 1 BvR 1633/09 – kein klagestattgebendes Urteil vor Gelegenheit zur Stellungnahme auf Replik). Das gilt selbst für den Fall verspäteten Vorbringens einer Partei, wenn dieses noch Berücksichtigung finden soll – dann ist auch im schriftlichen Verfahren die mündliche Verhandlung vAw wiederzueröffnen (BVerfG v 14.12.15 – 2 BvR 3073/14). Ebenso soll es der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gem Art 2 I iVm Art 20 III GG zwingend gebieten, bei Abweichung von einer herrschenden obergerichtlichen Rspr mit dem Urt im vereinfachten schriftlichen Verfahren jedenfalls die Berufung gem § 511 IV 1 Nr 1 Alt 3 zuzulassen (BVerfG WM 11, 2155 [BVerfG 07.09.2011 - 1 BvR 1012/11]). Dies dürfte jedoch allenfalls bei einem Verstoß gegen das Willkürverbot gerechtfertigt sein (vgl HessStGH, Beschl v 9.10.2013 – P.St.2401).