Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 18
Die juristische Person endet nicht mit ihrer Auflösung, die von den Gesellschaftern beschlossen oder in bestimmten Fällen gerichtlich angeordnet werden kann (vgl §§ 262 AktG, 60 GmbHG, 78 ff GenG, 131, 161 II HGB, 41, 49 II BGB), sondern tritt zunächst mit dem Zweck der Abwicklung in das Liquidationsstadium. In dieser Phase bleibt die Gesellschaft rechts- und parteifähig (BAG NJW 88, 2637; BGH WM 80, 1431). Tatsächlich verliert die Gesellschaft ihre weder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch eine Registerlöschung tangierte Rechts- und Parteifähigkeit erst mit der Vollbeendigung (BGH NJW 96, 2035 [BGH 28.03.1996 - IX ZR 77/95]; 95, 196; NZG 12, 916 Rz 27; Karlsr NJW 12, 2204, 2205 [OLG Karlsruhe 24.01.2012 - 8 U 172/10]). Sie verwirklicht sich als Doppeltatbestand mit der Vermögenslosigkeit der aufgelösten Gesellschaft (BGHZ 94, 105, 108; 74, 212 f = NJW 79, 1592; BGH NJW 95, 196) und ihrer Löschung im jeweiligen Register (BGH DB 10, 2719 Rz 22; Musielak/Weth Rz 18). Sofern kein verwertbares Vermögen vorhanden ist, verbindet sich mit der Registerlöschung der Verlust der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft (BGH, NJW 15, 2424 [BGH 20.05.2015 - VII ZB 53/13] Rz 19). Nach herkömmlicher Ansicht des BGH wird eine Klage unzulässig, falls die Gesellschaft im Laufe des Rechtsstreits (unstr) vermögenslos wird (BGHZ 74, 212 f = NJW 79, 1592; BGH NJW 82, 238; RR 11, 115 Rz 22). Dieser Grundsatz begegnet nicht zu Unrecht Bedenken, weil bis zum Abschluss des schwebenden Prozesses eine Abwicklung nebst Vermögensverteilung und damit eine Vollbeendigung gar nicht erfolgen darf (BAG NJW 82, 1831; Bork JZ 91, 848 ff). Ob diese Auffassung noch der einheitlichen Auffassung des BGH entspricht, erscheint überdies ungesichert, weil nunmehr entschieden wurde, dass der durch die Klageabweisung im konkreten Rechtsstreit begründete Kostenerstattungsanspruch der Gesellschaft der Annahme ihrer Vermögenslosigkeit entgegensteht (BGHZ 159, 94, 101 = NJW 04, 2523f). Dessen ungeachtet scheitert die Parteifähigkeit der Gesellschaft in einem Aktivprozess wegen der von ihr in Anspruch genommenen Forderung nicht an der Vermögenslosigkeit (BGH RR 11, 115 Rz 22; NZG 12, 916 Rz 27). Demgegenüber bleibt die Parteifähigkeit im Passivprozess bereits infolge der bloßen Behauptung des Kl erhalten, dass die Gesellschaft noch über Vermögenswerte verfügt (BGH RR 11, 115 Rz 22; BGH DB 10, 2719 Rz 22; NZG 12, 916 Rz 27). Ebenso verhält es sich, wenn sich umgekehrt die Gesellschaft in der Klägerrolle eines Vermögensrechts berühmt (BGHZ 48, 303, 307 = NJW 68, 297; BGHZ 75, 178, 182 f; BGH NJW-RR 91, 660). Ist der Anspruch der vermögenslosen Gesellschaft nicht gegeben, wird ihre Klage als unbegründet und nicht etwa als unzulässig abgewiesen (BGH DB 59, 110). Trotz Vermögenslosigkeit verliert die Gesellschaft jedenfalls nicht ihre Parteifähigkeit, falls keine Zahlung begehrt, sondern gegen sie ein Anspruch auf Zeugniserteilung oder Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung geltend gemacht wird (BAG NJW 82, 1831). Ferner kann sich nach Löschung und Vollbeendigung, falls unbekannte Vermögensgegenstände auftauchen, bei der Gesellschaft ein nachträglicher Abwicklungsbedarf (Nachtragsliquidation: §§ 264 II, 273 IV AktG, 66 V GmbHG) ergeben, der zum Wiederaufleben ihrer Parteifähigkeit führt (BGH MDR 95, 529; BGH NJW-RR 11, 1690 Rz 23; Kobl RR 16, 867). Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, bleibt die Gesellschaft parteifähig, sofern sie gleichwohl über Vermögen verfügt (BGHZ 94, 105, 108; BAG NJW 88, 2637), zumal Masselosigkeit nicht mit Vermögenslosigkeit gleichzusetzen ist (BGH NJW 95, 196 [BGH 07.10.1994 - V ZR 58/93]). Entsprechendes gilt im Fall der Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit (§ 394 FamFG) bei Vorhandensein von Vermögensgegenständen (BGH NJW 03, 2231f). Ist eine GmbH infolge Vermögenslosigkeit und Löschung nicht mehr existent, bleibt eine GmbH % Co KG, deren Komplementärin die untergegangene GmbH war, als KG in Liquidation ohne persönlich haftenden Gesellschafter bestehen (BGH DB 2010, 2719 Rz 31). Die Parteifähigkeit einer nach englischem Recht gegründeten Limited endet mit ihrer Löschung im englischen Gesellschaftsregister. Eine von der Gesellschaft nach ihrer Löschung eingelegte Berufung ist unzulässig (KG NJW 14, 2737 [KG Berlin 17.03.2014 - 20 U 254/12]).