Rn 10

Die Parteifähigkeit meint die Fähigkeit, zulässigerweise Aktiv- oder Passivobjekt eines Prozesses sein zu können, mithin die rechtliche Befugnis, am Urteilsverfahren als Kl oder Bekl, am Beschlussverfahren als Antragsteller oder Antragsgegner und am Vollstreckungsverfahren als Gläubiger oder Schuldner beteiligt zu sein. Parteifähig ist gem § 50 I, wer rechtsfähig ist. Damit beruht das Prozessrecht auf einem Gleichlauf von Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit (BGHZ 122, 342, 345 = NJW 93, 2307). Im Falle einer Klageerhebung durch einen nicht Parteifähigen sind die Kosten demjenigen aufzubürden, der das Verfahren eingeleitet hat (Ddorf MDR 77, 759).

1. Sachurteilsvoraussetzung.

 

Rn 11

Eine Klage ist als unzulässig abzuweisen, wenn dem Kl oder dem Bekl die Parteifähigkeit fehlt. Diese Behandlung der Klage zeigt, dass ein nicht rechtsfähiges Gebilde (Prozess-)Partei, nur eben nicht parteifähig ist. Die Parteifähigkeit ist eine in jeder Lage des Verfahrens vAw zu prüfende, weder Rügeverzicht (§ 295 II) noch Präklusion (BGHZ 159, 94, 98 f = NJW 04, 2523f) zugängliche Sachurteilsvoraussetzung, so dass ein Sachurteil nur im Falle der Parteifähigkeit von Kl und Bekl erwirkt werden kann. Die Parteifähigkeit muss spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – und sei es in der Revisionsinstanz – vorliegen. Darum ist eine Klage auch dann unzulässig, wenn der Bekl erst im Laufe des Rechtsstreits – etwa bei Vollbeendigung einer Gesellschaft – die Rechtsfähigkeit verliert (BGHZ 74, 212, 214 = NJW 79, 1592). Der Kl kann in einer solchen Konstellation einer Klageabweisung durch einen Erledigungsantrag zuvorkommen (BGH NJW 82, 238). Freilich dürfte, solange ein Prozess gegen eine Gesellschaft schwebt, wegen der noch nicht abgeschlossenen Schuldenberichtigung eine Vollbeendigung ausscheiden (BAG NJW 82, 1831). Der Mangel der Parteifähigkeit kann durch die im Verfahren rechtsfähig gewordene Partei – noch in der Revisionsinstanz – genehmigt werden (BGHZ 51, 27, 29 = NJW 69, 188). Der Verlust der Parteifähigkeit unterbricht den Rechtsstreit (§ 239), es sei denn, die Partei ist anwaltlich vertreten (§ 246, BGH NJW-RR 86, 394).

2. Prozesshandlungsvoraussetzung.

 

Rn 12

Die Parteifähigkeit ist neben der Prozessfähigkeit (§ 51) und der Postulationsfähigkeit, der – in familiengerichtlichen und sonstigen Verfahren ab der Landgerichtsebene Anwälten vorbehaltenen (§ 78 I, II) – Fähigkeit, rechtswirksam prozessual zu agieren, Prozesshandlungsvoraussetzung. Fehlt die Parteifähigkeit, sind für oder gegen die Partei vorgenommene Prozesshandlungen unwirksam, können aber nach Erwerb der Parteifähigkeit von ihr rückwirkend – auch stillschweigend durch Fortsetzung des Verfahrens – genehmigt werden (BGH NJW 92, 2575). Wird die Genehmigung, die auch noch in der Revisionsinstanz erteilt werden kann (BGHZ 41, 104, 106 = NJW 64, 1129; BGHZ 51, 27, 29 = NJW 69, 188), aber auch unter den Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht erteilt werden muss (R/S/G § 43 Rz 41), verweigert, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

3. Streit um Parteifähigkeit.

 

Rn 13

Sofern ein Parteiunfähiger behauptet, parteifähig zu sein, gilt er für die Auseinandersetzung über seine Parteifähigkeit als parteifähig (BGH NJW 93, 2942, 2944 [BGH 16.06.1993 - I ZB 14/91]; 82, 238 [BGH 29.09.1981 - VI ZR 21/80]). Im sog Zulassungsstreit kann der Parteiunfähige einen Anwalt beauftragen und Rechtsmittel gegen eine Entscheidung einlegen, die ihm die Parteifähigkeit abspricht (BGHZ 74, 212, 215 = NJW 79, 1592; BGHZ 24, 91, 94 = NJW 57, 989; BAG 15, 269 Rz 13). Ebenso kann er einer auf den Wegfall der Parteifähigkeit gestützten Erledigung widersprechen, um eine Sachentscheidung zu erwirken (BGH NJW-RR 96, 806 [BGH 28.03.1996 - I ZR 11/94]; 86, 394). Das Gericht kann über die Parteifähigkeit, falls es sie bejaht, durch Zwischenurteil (§§ 280 II, 303) oder durch Endurteil, was sich bei einer Verneinung anbietet, befinden. Bestätigt das Rechtsmittelgericht die fehlende Parteifähigkeit, so ist das Rechtsmittel der nicht rechtsfähigen Partei als unbegründet – nicht etwa unzulässig – zurückzuweisen (BGHZ 74, 212, 215 = NJW 79, 1592; BGHZ 24, 91, 94 = NJW 57, 989). Diese Grundsätze gelten auch im Streit um die Existenz einer Partei (BGH NJW-RR 04, 1505 f; Saarbr OLGR 02, 259).

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