Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 38
Eine gewillkürte Prozessstandschaft – die Prozessführung im eigenen Namen über einen fremden schuld- oder sachenrechtlichen Anspruch – basiert auf einer von dem Rechtsträger dem Prozessstandschafter erteilten Ermächtigung (analog § 185 BGB) zur Prozessführung und bedarf als weiterer Voraussetzung eines berechtigten Eigeninteresses des Ermächtigten zur Prozessführung. Zulässig ist nur eine aktive, keine passive gewillkürte Prozessstandschaft (Zö/Vollkommer Vor § 50 Rz 43; Musielak/Weth § 51 Rz 26; aA v. Zwoll 1993 S 164 ff; unentschieden BGH NJW 83, 684 [BGH 17.03.1982 - IVb ZR 646/80]). Unbedenklich kann eine aktive Prozessstandschaft von Beklagtenseite etwa im Wege der Widerklage geführt werden. Eine von dem Titelgläubiger erteilte isolierte Vollstreckungsstandschaft, den titulierten Anspruch im eigenen Namen zu vollstrecken, scheitert an der Notwendigkeit einer Titelumschreibung nach § 727, die eine Rechtsnachfolge voraussetzt (BGHZ 92, 347, 349 = NJW 85, 809; BGHZ 120, 386, 395 f = NJW 93, 1396). Die Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft beurteilt sich bei einer Auslandsberührung nach deutschem Prozessrecht (lex fori; BGHZ 125, 196, 199 = NJW 94, 2549).
1. Voraussetzungen.
a) Ermächtigung.
Rn 39
Es kann dahin stehen, ob die Ermächtigung als bürgerlich-rechtliches Rechtsgeschäft (R/S/G § 46 Rz 33) oder mit der hM als Prozesshandlung (BGH NJW 89, 1933 f; St/J/Bork Vor § 50 Rz 43) zu qualifizieren ist. Erteilung, (Fort-)Bestand und Willensmängel der Ermächtigung bestimmen sich jedenfalls nach den bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen (BGH NJW 00, 738f). Die Erteilung kann – etwa bei identischem Gesellschafterbestand der klagenden und der ermächtigenden Gesellschaft (Ddorf NJW-RR 09, 1491, 1492 [OLG Düsseldorf 12.02.2009 - I -5 U 121/07]) – konkludent erfolgen (BGH GRUR 08, 1108, 1112 [BGH 31.07.2008 - I ZR 21/06] Rz 52 f; NJW-RR 02, 1377 f; NJW 89, 1933f [BGH 22.12.1988 - VII ZR 192/88]), sich aber auch aus einer Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) ergeben: Die Abtretung eines Anspruchs auf Rückgewähr eines Grundstücks und die Auflassung des betroffenen Grundstücks rechtfertigen die Geltendmachung der Eigentümerrechte durch den Erwerber in gewillkürter Prozessstandschaft des Eigentümers (BGH 145, 383, 386 = NJW 01, 680); in der Übertragung der Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen aus der Errichtung eines gemeinsamen Hauses auf den anderen Ehegatten liegt eine stillschweigende Ermächtigung (BGHZ 94, 117, 122 = NJW 85, 1826); ebenso verhält es sich, wenn der Rechtsinhaber die Prozessführung ausdrücklich – etwa durch seine Anwesenheit vor Gericht – billigt (BGH NJW-RR 88, 127 [BGH 02.10.1987 - V ZR 182/86]); wird der Gesellschafter, der Ansprüche der GbR verfolgt, vom Geschäftsführer der GbR anwaltlich vertreten, kann von einer Ermächtigung seitens der GbR ausgegangen werden (BGH NJW-RR 02, 1377f); ist der Geschäftsführer mit dem Kl identisch, kann § 181 BGB entgegenstehen (Kobl NJW-RR 2014, 45); bei einer Sicherungsabtretung darf der Zedent auch ohne ausdrückliche Ermächtigung auf Leistung an den Zessionar klagen (BGHZ 128, 371, 379). Regelmäßig darf der Leasingnehmer kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche aus dem Beschaffungsvertrag als gewillkürter Prozessstandschafter verfolgen. Die Befugnis endet, wenn der Ermächtigende die Forderung abgetreten und die Abtretung offengelegt hat (BGH WM 14, 1050 Rz 12). Im Fall der Unwirksamkeit einer Abtretung kommt eine Umdeutung in eine Ermächtigung in Betracht (BGH MDR 03, 145). Bei einer Verbandsklage kann die Ermächtigung auf einer Satzungsregel in Verbindung mit einem dort vorgesehenen Mehrheitsbeschluß der Mitglieder beruhen (BGH NZG 11, 1305 [BGH 21.09.2011 - VIII ZR 118/10] Rz 21). Die jederzeit widerrufliche (BGH NJW 89, 1932 f; NJW-RR 86, 158; WM 14, 1050 [BGH 11.03.2014 - VIII ZR 31/13] Rz 8; Saarbr NJW-RR 15, 117 [OLG Saarbrücken 11.09.2014 - 4 U 179/13] Rz 23 ff) Ermächtigung unterliegt nicht dem Anwaltszwang (St/J/Bork Vor § 50 Rz 43) und kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (BGH NJW-RR 93, 670) – freilich ohne Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung (BGH NJW-RR 93, 670 [BGH 03.03.1993 - IV ZR 267/91]; NJW 58, 338 f [BGH 26.11.1957 - VIII ZR 70/57]; aA Zö/Vollkommer Vor § 50 Rz 45) – erteilt werden. Weder die Abtretung des Anspruchs durch den Rechtsinhaber nach Rechtshängigkeit noch die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Prozessstandschafters berührt die Gültigkeit der Ermächtigung (BGH NJW 89, 1932f). Sie erlischt hingegen bei Insolvenz des Rechtsinhabers (BGH NJW 00, 738f [BGH 10.11.1999 - VIII ZR 78/98]). Die Ermächtigung endet nach §§ 168 S 1, 673 BGB mit dem Tod des Prozessstandschafters und geht nicht auf dessen Erben über; der Rechtsinhaber tritt vielmehr im Wege gewillkürten Parteiwechsels in den Prozess ein (BGHZ 123, 132, 135 = NJW 93, 3073). Die Ermächtigung muss sich auf einen bestimmten Anspruch, bei einer Globalzession eine Vielzahl bestimmter Ansprüche (BGH NJW 95, 3186 [BGH 19.09.1995 - VI ZR 166/94]), beziehen, währ...