Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 11
Die gesetzliche Vertretungsmacht muss als Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein. Prozesshandlungen, die einer wirksamen Vertretung entbehren, sind unwirksam, können aber von dem berechtigten Vertreter oder der während des Rechtsstreits prozessfähig gewordenen Partei (§ 108 III BGB; München NZG 2012, 274 [OLG Stuttgart 23.11.2011 - 2 W 56/11] [LS]) noch im Revisionsrechtszug genehmigt werden. Ist eine Gesellschaft nicht ordnungsgemäß vertreten, können die gesetzlichen Vertreter in den Prozess eintreten und die Prozessführung genehmigen (BGH NJW 10, 2886 [BGH 19.07.2010 - II ZR 56/09] Rz 8). Die ohne Vertretungsmacht erhobene Klage wird als unzulässig abgewiesen. Im Falle einer gesetzlichen Vertretung ist Partei ausschließlich der Vertretene, den allein etwaige Kosten treffen und gegen den nur vollstreckt werden kann. Im Blick auf Parteivernehmung (§ 455), Richterausschließung (§ 41 Nr 4) und das Verschulden (Abs 2) wird der Vertreter einer Partei gleichgestellt. Der gesetzliche Vertreter, der nicht Zeuge und Nebenintervenient sein kann, ist bei seiner Prozessführung vom Wissen und Wollen des Vertretenen unabhängig (St/J/Bork Rz 22). Selbstverständlich muss der gesetzliche Vertreter selbst prozessfähig (§ 52) sein. Andernfalls sind seine Prozesshandlungen, weil es an einer Prozesshandlungsvoraussetzung fehlt, ungültig (Zweibr ZIP 83, 941). Handelt es sich bei dem gesetzlichen Vertreter um eine juristische Person oder Behörde, bedarf dieser der Vertretung durch eine prozessfähige Person. Im Falle einer Gesamtvertretung haben alle Vertreter an der Prozesshandlung mitzuwirken, die sonst unwirksam ist (BGH NJW-RR 04, 275f [BGH 23.10.2003 - IX ZR 324/01]). Prozesshandlungen können wirksam ggü einem von mehreren Gesamtvertretern vorgenommen werden (vgl § 171 III). Umfang und Ende der Vertretungsmacht beurteilen sich nach dem anzuwendenden materiellen Recht. Soweit die Vertretungsmacht eines Vormunds oder Pflegers auf einem staatlichen Hoheitsakt beruht, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf etwaige Nichtigkeitsgründe (BGHZ 33, 195, 201 = NJW 61, 22). Der Vertreter hat nachzuweisen, dass er iRd ihm zugewiesenen Vertretungsmacht handelt (BGHZ 5, 240, 242 = NJW 52, 818). Im Zulassungsstreit um die Wirksamkeit der gesetzlichen Vertretung gilt der vermeintliche gesetzliche Vertreter als vertretungsbefugt (BGH ZIP 05, 900; BAG 15, 269 Rz 13). Der Tod des Vertreters oder das Ende seiner Vertretungsmacht führen zur Unterbrechung (§ 241) bzw Aussetzung (§ 246) des Verfahrens. Eine von dem gesetzlichen Vertreter erteilte Vollmacht wirkt fort (§ 86). Bei Verhinderung des gesetzlichen Vertreters, der etwa selbst verklagt werden soll, ist ein anderer Vertreter zu bestellen.