Rn 17
In welchem Umfang eine Partei beschwert ist, steht mit dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils fest; spätere Änderungen und insb die Berufungsanträge wirken sich nicht auf die Beschwer aus. Denn sie folgt aus dem angefochtenen Urt und besteht in dem Unterschied zwischen demjenigen, was der Rechtsmittelführer in der 1. Instanz bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (BGH NJW-RR 09, 853 [BGH 19.03.2009 - IX ZB 152/08]) erreichen wollte, und demjenigen, was er erreicht hat (formelle Beschwer, BGH NJW-RR 07, 138, 139 [BGH 20.12.2005 - XI ZR 66/05]; zur materiellen Beschwer des Bekl s Rn 36). Maßgeblich ist somit nur seine eigene Beschwer, nicht die des Gegners. Unerheblich ist, welchen tatsächlichen oder rechtlichen Einfluss die erstinstanzliche Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse hat (BGH GuT-W 13, 73). Legen mehrere Streitgenossen die Berufung ein, ist die Beschwer eines jeden nur dann zusammenzurechnen, wenn die Streitgegenstände nicht wirtschaftlich identisch sind. Bei der Klage gegen mehrere Gesamtschuldner findet eine Zusammenrechnung wegen wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände nicht statt (BGH NJW-RR 91, 186). Die aus der Kostenentscheidung in dem Urt folgende Beschwer ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Belang (BGH NJW-RR 07, 765). Übergeht das erstinstanzliche Gericht einen von mehreren Klageanträgen, ist neben dem Ergänzungsverfahren nach § 321 I auch der Berufungsrechtszug eröffnet, wenn sich dieses Versäumnis nicht nur in einer bloßen Unvollständigkeit der Entscheidung erschöpft, sondern zu einem sachlich unrichtigen Urt führt (BGHReport 09, 1217). Bei einem Feststellungsantrag muss das Berufungsgericht auch solche Schadenspositionen berücksichtigen, die in 1. Instanz nicht geltend gemacht und auch nicht zur Begründung des Feststellungsantrags konkretisiert wurden (BGH NJW 11, 615). Ausreichend ist eine bloß scheinbare Beschwer, die dann gegeben ist, wenn eine im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ausgesprochene Teilabweisung der Klage mit den rechtskraftfähigen Entscheidungsgründen, nach denen die Klage in vollem Umfang begründet ist, nicht übereinstimmt (BGH NJW 93, 2052, 2053). An der Beschwer fehlt es, wenn der Klage vollständig stattgegeben worden ist, auch wenn das erstinstanzliche Gericht eine oder mehrere geltend gemachte Anspruchsgrundlagen verneint hat (BGH NJW 93, 2052, 2053 [BGH 10.03.1993 - VIII ZR 85/92]). Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn das Gericht der Klage auf der Grundlage eines nicht (mehr) gestellten Sachantrags stattgegeben hat (BGH NJW 04, 2019, 2020 [BGH 12.03.2004 - V ZR 37/03]). Für den Beklagten liegt die Beschwer in dem Betrag oder Wert seiner Verurteilung (materielle Beschwer, BGH NJW-RR 07, 765 [BGH 18.01.2007 - IX ZB 170/06]). Wurde er zur Zahlung verurteilt, entfällt seine Beschwer, wenn er nach dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und vor Einlegung der Berufung den Urteilsbetrag vorbehaltlos zahlt (BGH NJW 94, 942, 943 [BGH 16.11.1993 - X ZR 7/92]). Ist der Beklagte zusammen mit anderen als Gesamtschuldner verurteilt worden, entfällt seine Beschwer nicht dadurch, dass die anderen den Urteilsbetrag bezahlt haben, wenn er in dem Berufungsverfahren die Rechtmäßigkeit seiner gesamtschuldnerischen Verurteilung angreift (BGH Beschl v 7.12.10, VI ZB 87/09).