Rn 5
Der Fristbeginn setzt die Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils voraus. Selbstverständlich wird nicht die bei den Akten verbleibende Urschrift, sondern eine Ausfertigung der Entscheidung zugestellt (BGH MDR 11, 65 [BGH 28.10.2010 - VII ZB 40/10]). Auch die Zustellung einer beglaubigten Urteilsabschrift setzt den Lauf der Berufungsfrist in Gang (BGH MDR 16, 667 [BGH 27.01.2016 - XII ZB 684/14]) Beides muss die Urschrift im Wesentlichen wortgetreu und richtig wiedergeben. Bei Abweichungen zwischen Urschrift und zugestellter Ausfertigung ist für den Beginn des Laufs der Berufungsfrist allein der Inhalt der Ausfertigung maßgeblich, weil nur sie nach außen in Erscheinung tritt und die durch das erstinstanzliche Urt beschwerte Partei ihre Rechte nur anhand der Ausfertigung wahrnehmen kann und muss (BGH NJW-RR 06, 1570, 1571 [BGH 24.05.2006 - IV ZB 47/05]). Insbesondere ist die Zustellung dann wirksam, wenn der von der Urschrift abweichende Inhalt der Ausfertigung auf einem Fehler beruht, der – wäre er bei der Abfassung des Urteils unterlaufen – nach § 319 hätte korrigiert werden können (BGH aaO).
Rn 6
Allenfalls schwerwiegende Mängel der Ausfertigung wie zB Abweichungen von der Urschrift in wesentlichen Punkten führen zur Unwirksamkeit der Zustellung und damit dazu, dass die Berufungsfrist nicht zu laufen beginnt (BGH NJW 01, 1653, 1654). Von der Wesentlichkeit idS ist dann auszugehen, wenn die Abweichung in der Ausfertigung die Entscheidung der Partei, ob sie Berufung einlegt oder nicht, beeinflussen kann (BGH ZIP 93, 74, 75). Daran fehlt es, wenn die Ausfertigung keinen oder einen hinsichtlich der Person des Unterzeichners unvollständigen Verkündungsvermerk (§ 315 III) enthält (BGH aaO), ebenso wenn unwesentliche Teile des Tatbestands (§ 313 I Nr 5) oder der Entscheidungsgründe (§ 313 I Nr 6) unleserlich sind (BGH NJW-RR 00, 1665, 1666 [BGH 13.04.2000 - V ZB 48/99]). Entscheidend, aber auch ausreichend ist, dass der Adressat aus der Ausfertigung den Inhalt der Urschrift und insb seine Beschwer erkennen kann (BGH aaO). Ist das der Fall, beginnt mit einer weiteren Zustellung nunmehr der mangelfreien Ausfertigung keine neue Berufungsfrist zu laufen (BGH NJW-RR 06, 563, 564 [BGH 20.10.2005 - IX ZB 147/01]).
Rn 7
Der Lauf der Berufungsfrist wird nicht in Gang gesetzt, wenn die Ausfertigung eines unechten Versäumnisurteils (§ 514 Rn 3) zugestellt wird, das keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält (BGH NJW-RR 91, 255 [BGH 31.05.1990 - VII ZB 1/90]); bei dem die Unterschrift eines Richters ohne Angabe des Verhinderungsgrundes (§ 315 I) ersetzt (BGH NJW 80, 1849, 1850 [BGH 21.05.1980 - VIII ZR 196/79]) oder der Verhinderungsvermerk nicht unterschrieben worden ist (BGH NJW 61, 782 [BGH 12.01.1961 - II ZR 149/60]). Auch wenn die Urteilsausfertigung selbst – und nicht nur die Urschrift – unvollständig ist, weil eine Seite fehlt, beginnt mit ihrer Zustellung die Berufungsfrist nicht zu laufen (BGHZ 138, 166, 169).
Rn 8
Ist der zugestellten Ausfertigung eine inhaltlich falsche Rechtsmittelbelehrung beigefügt, ändert das nichts an der Wirksamkeit der Zustellung und damit an dem Beginn der Berufungsfrist, denn eine solche Belehrung ist im Gesetz nicht vorgesehen; ihre Beifügung kann deshalb allenfalls Bedeutung iRe Wiedereinsetzung haben (BGH WM 91, 1740 [BGH 03.07.1991 - IV ZB 5/91]).