Gesetzestext
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
A. Allgemeines.
Rn 1
Wie jedes Rechtsmittel ist auch die Berufung fristgebunden. Das dient der Rechtssicherheit; denn es soll, insb im Interesse des Obsiegenden, möglichst zeitnah nach dem Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung feststehen, ob sie formell rechtskräftig ist, also mit einem Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden kann. Die Vorschrift berücksichtigt daneben auch die Interessen des Unterlegenen, denn sie gibt ihm eine ausreichend lange Überlegungsfrist, ob er das Urt hinnehmen will oder nicht.
B. Frist.
I. Dauer.
Rn 2
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat. Da sie ausdrücklich als Notfrist bezeichnet ist, kann sie weder durch Vereinbarung der Parteien oder von dem Gericht abgekürzt noch von dem Gericht verlängert werden (§ 224 I und II). In dem Fall der Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens (§§ 239 ff) hört der Lauf der Berufungsfrist auf; nach der Beendigung der Aussetzung oder Unterbrechung beginnt die volle Frist von neuem zu laufen (§ 249 I). Allerdings kann gegen ein während der Unterbrechung oder Aussetzung erlassenes – wirkungsloses (§ 511 Rn 7) – Urt auch innerhalb dieses Zeitraums Berufung eingelegt werden (BGH NJW 97, 1445 [BGH 16.01.1997 - IX ZR 220/96]). Der Berufungskläger (§ 511 Rn 53) kann die Frist bis zur letzten Sekunde ausnutzen, also bis zum Ablauf von 23.59 Uhr (BGH NJW 07, 2045, 2046 [BGH 08.05.2007 - VI ZB 74/06]) des letzten Tages der Frist (zur Fristberechnung s Rn 15). Bis dahin muss die Berufungsschrift (§ 519) in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangen. Deshalb müssen die Gerichte dafür Sorge tragen, dass die Berufungsschrift (§ 519) in jeder zulässigen Form (§ 519 Rn 2) bis zum spätest möglichen Zeitpunkt entgegengenommen werden können (Nachtbriefkasten, funktionsfähiges Fernschreib- oder Telefaxgerät, E-Mailzugang in dem Fall des § 130a). Für die Fristwahrung ist es nicht erforderlich, dass die Berufungsschrift innerhalb der Berufungsfrist in die Hände des zuständigen Bediensteten des Gerichts gelangt (BVerfG NJW 91, 2076 [BVerfG 07.05.1991 - 2 BvR 215/90]). Wohl aber muss sie fristgemäß bei dem zuständigen Berufungsgericht eingegangen sein (§ 519 I). Ist das angerufene Gericht unzuständig, muss es den Berufungskläger zur Vermeidung einer Fristversäumung grds nicht darauf hinweisen (BGH RdL 20, 426f). Haben mehrere Gerichte eine gemeinsame Post- und Telefaxannahmestelle, ist ein per Telefax übermittelter Berufungsschriftsatz auch dann in die Verfügungsgewalt des als Adressat angegebenen Berufungsgerichts gelangt, wenn für die Übermittlung versehentlich die Telefaxnummer eines der anderen Gerichte gewählt wurde (BGH NJW-RR 13, 830, 831 [BGH 23.04.2013 - VI ZB 27/12]).
II. Beginn.
1. Erstinstanzliches Urteil.
Rn 3
Der Beginn der Berufungsfrist setzt die Existenz eines mit der Berufung anfechtbaren erstinstanzlichen Urteils (§ 511 Rn 2 ff) voraus (BGH NJW 95, 404).
2. Urteilszustellung.
a) Form.
Rn 4
Frühester Zeitpunkt des Beginns der Berufungsfrist ist die wirksame Zustellung des in vollständiger Form abgefassten erstinstanzlichen Urteils. Das gilt auch für den Fall, dass bereits vorher Berufung eingelegt worden ist. Gemeint ist die Zustellung vAw in der in §§ 166–190 bestimmten Form. Eine Zustellung im Parteibetrieb setzt den Lauf der Berufungsfrist nicht in Gang. Dasselbe gilt für Zustellungen, die während der Aussetzung oder Unterbrechung des Verfahrens (§§ 239 ff) vorgenommen werden, denn sie sind nicht wirksam (BGHZ 111, 104, 107). Auch wenn bei der öffentlichen Zustellung (§ 185) deren Voraussetzungen für das erstinstanzliche Gericht erkennbar nicht vorlagen, beginnt die Berufungsfrist nicht zu laufen (BGH NJW 07, 303 [BGH 06.10.2006 - V ZR 282/05]). Dagegen schaden Zustellungsmängel nicht; die Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Zustellungsempfänger (Rn 8) das erstinstanzliche Urt tatsächlich zugegangen ist (§ 189).
b) Inhalt.
Rn 5
Der Fristbeginn setzt die Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils voraus. Selbstverständlich wird nicht die bei den Akten verbleibende Urschrift, sondern eine Ausfertigung der Entscheidung zugestellt (BGH MDR 11, 65 [BGH 28.10.2010 - VII ZB 40/10]). Auch die Zustellung einer beglaubigten Urteilsabschrift setzt den Lauf der Berufungsfrist in Gang (BGH MDR 16, 667 [BGH 27.01.2016 - XII ZB 684/14]) Beides muss die Urschrift im Wesentlichen wortgetreu und richtig wiedergeben. Bei Abweichungen zwischen Urschrift und zugestellter Ausfertigung ist für den Beginn des Laufs der Berufungsfrist allein der Inhalt der Ausfertigung maßgeblich, weil nur sie nach außen in Erscheinung tritt und die durch das erstinstanzliche Urt beschwerte Partei ihre Rechte nur anhand der Ausfertigung wahrnehmen kann und muss (BGH NJW-RR 06, 1570, 1571 [BGH 24.05.2006 - IV ZB 47/05]). Insbesondere ist die Zustellung dann wirksam, wenn der von der Urschrift abweichende Inhalt der Ausfertigung auf einem Fehler beruht, der – wäre e...