Gesetzestext
1Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. 2Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Das Gericht erlässt auf Antrag ein Ergänzungsurteil, wenn es versehentlich einen von einer Partei geltend gemachten Haupt- oder Nebenanspruch oder die Entscheidung über die Kosten bei seinem Endurteil ganz oder tw übergangen hat (§ 321 I). Das erstinstanzliche Ergänzungsurteil ist, wie das vorangegangene ›Haupturteil‹, ebenfalls mit der Berufung anfechtbar; dasselbe gilt für das Urt, mit dem der Erlass eines Ergänzungsurteils abgelehnt wurde (BGH NJW-RR 05, 326 [BGH 11.11.2004 - VII ZR 95/04]).
B. Regelungsgehalt.
Rn 2
Die Vorschrift stellt zum einen klar, dass mit der Zustellung des Ergänzungsurteils (oder des die Ergänzung ablehnenden Urteils, Rn 1) die Frist für eine dagegen einzulegende Berufung (§ 517) zu laufen beginnt. Zum anderen wird die Berufungsfrist im Hinblick auf die Anfechtung des vorangegangenen ›Haupturteils‹ verlängert; sie beginnt mit der Zustellung des Ergänzungsurteils (oder des die Ergänzung ablehnenden Urteils) von neuem.
Rn 3
Legt dieselbe Partei gegen beide Urteile Berufung ein, muss das Berufungsgericht die beiden Rechtsmittel miteinander verbinden (§ 147).
C. Anwendungsbereich.
Rn 4
Der Anwendungsbereich der Vorschrift stimmt mit dem des § 321 überein. Sie gilt deshalb sowohl in den in §§ 302, 599, 716 und 721 geregelten als auch in den Fällen, in denen das erstinstanzliche Gericht eine von ihm zu erlassende Nebenentscheidung nicht getroffen hat wie zB eine Fristbestimmung nach § 255 (BGH NJW-RR 96, 1238 [BGH 25.06.1996 - VI ZR 300/95]), den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 305, die Entscheidung über die Fortsetzung eines Mietverhältnisses nach § 308a oder die Festsetzung eines Geldbetrags zur Hemmung der Arrestvollziehung nach § 923 (BGH aaO).
Rn 5
Keine (entsprechende) Anwendung findet die Vorschrift auf die Urteilsberichtigung nach § 319 und die Tatbestandsberichtigung nach § 320.
D. Berufungsfrist.
I. Ergänzungsurteil.
Rn 6
Die einmonatige Berufungsfrist (§ 517) für das Ergänzungsurteil und des die Ergänzung ablehnenden Urteils beginnt mit ihrer Zustellung (§ 517 Rn 4 ff). Fehlt es daran oder ist die Zustellung unwirksam, ist der Zeitpunkt der Verkündung dieser Urteile für den Beginn der Berufungsfrist maßgeblich, obwohl das Gesetz diese Regelung nicht trifft; insoweit gelangt jedoch § 517 Hs 2 Alt 2 zur Anwendung. Die Berufungsfrist für das Ergänzungsurteil und das eine Ergänzung ablehnende Urt wird nicht verlängert, wenn das Haupturteil später als diese Urteile zugestellt wird.
II. Haupturteil.
Rn 7
Die Berufungsfrist für das dem Ergänzungsurteil vorangegangene Haupturteil beginnt zunächst mit seiner Zustellung bzw Verkündung (§ 517 Rn 4 ff). Wird innerhalb der laufenden Berufungsfrist ein Ergänzungsurteil verkündet, beginnt ab diesem Zeitpunkt bzw ab der Zustellung dieses Urteils (Rn 6) die Berufungsfrist für das Haupturteil von neuem. Das gilt auch dann, wenn das Ergänzungsurteil nicht angegriffen wird oder die gegen das Haupturteil eingelegte Berufung zwischenzeitlich zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wurde.
Rn 8
Erfolgt die Verkündung des Ergänzungsurteils erst nach dem Ablauf der Berufungsfrist für das Haupturteil, beginnt für dieses keine neue Frist; vielmehr wird es mit Fristablauf rechtskräftig, wenn es nicht zuvor angefochten wurde. Dasselbe gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht den Erlass eines Ergänzungsurteils abgelehnt hat. In diesen Fällen ist nur die Berufung gegen das Ergänzungsurteil bzw gegen das die Ergänzung ablehnende Urt möglich.
III. Urteilszustellung, Fristberechnung.
Rn 9
Hinsichtlich der Form, des Inhalts und der Adressaten der Zustellung von Haupt- und Ergänzungsurteil sowie der Berechnung der Berufungsfristen wird auf die Ausführungen in § 517 Rn 4–10, 15 verwiesen.
E. Verfahrensverbindung.
Rn 10
Im Interesse der Prozessökonomie und der Kostenersparnis schreibt S 2 der Vorschrift die Verbindung der beiden Berufungsverfahren vor, wenn dieselbe Partei sowohl gegen das Haupt- als auch gegen das Ergänzungsurteil Berufung eingelegt hat. Das gilt auch, wenn das Ergänzungsurteil erst nach dem Ablauf der Berufungsfrist für das bereits angefochtene Haupturteil erlassen und demgemäß später angefochten wurde.
Rn 11
Ein Ermessenspielraum wie bei der Verbindung nach § 147 steht dem Berufungsgericht nicht zu. Die gesetzliche Regelung ist verbindlich. Auch kann es später das Verfahren nicht wieder in zwei Verfahren trennen. Möglich ist jedoch, nach der Verbindung über eine der Berufungen durch ein Teilurteil (§ 301) zu entscheiden.