Rn 6
Die Begründungsfrist kann verlängert werden, wenn der Berufungskläger dies vor ihrem Ablauf durch einen an das Berufungsgericht gerichteten schriftlichen Antrag seines Prozessbevollmächtigten (vgl § 519 Rn 3) beantragt hat. Einen solchen Verlängerungsantrag enthält der bloße Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, nicht (BGH MDR 10, 164, 165). Die Dauer der gewünschten Fristverlängerung muss angegeben werden. Der Prozessbevollmächtigte ist grds nicht verpflichtet, sich vor dem Ende der Begründungsfrist bei dem Berufungsgericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen ist und ob ihm stattgegeben wird (BGH MDR 12, 1056). Auf einen nach dem Ablauf der Begründungsfrist eingegangenen Antrag ist deren Verlängerung nicht mehr möglich; wird sie gleichwohl gewährt, ist das unwirksam (BGHZ 116, 377).
Rn 7
Mit Einwilligung des Berufungsgegners (§ 511 Rn 57) kann der Vorsitzende des Berufungsgerichts (Kammer beim LG, Senat beim OLG) die Berufungsfrist zeitlich unbegrenzt (allerdings mit bestimmtem Fristende, Rn 10) verlängern, auch mehrmals. Die Einwilligung muss nicht unmittelbar ggü dem Berufungsgericht und auch nicht schriftlich erklärt werden. Es reicht aus, wenn der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers sie einholt und ihre Erteilung ggü dem Berufungsgericht in einem Schriftsatz, üblicherweise in dem Verlängerungsantrag, anwaltlich versichert (BGHZ 161, 86, 89). Dies kann auch konkludent erfolgen (BGH NJW 06, 2192, 2193). Der bloße Hinweis auf laufende Vergleichsverhandlungen reicht für die Darlegung der Einwilligung nicht aus (BGH MDR 12, 1113). Das Vertrauen des Berufungsführers auf die bei Stellung des Fristverlängerungsantrags noch fehlende Einwilligung des Gegners ist nur bei Vorliegen besonderer Gründe gerechtfertigt (BGH JurBüro 20, 560).
Rn 8
Ohne Einwilligung des Gegners kann der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Begründungsfrist unter zwei Voraussetzungen um höchstens (BGH NJW 04, 1742) bis zu einem Monat verlängern: Zum einen, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird; zum anderen, wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe für die Notwendigkeit der Fristverlängerung darlegt und diese glaubhaft macht (§ 234 II). Als erheblicher Grund anerkannt ist zB die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten (BGH NJW 91, 2080, 2081 [BGH 07.05.1991 - XII ZB 48/91]), dessen Krankheit oder Urlaub (BGH NJW 94, 2957, 2958 [BGH 23.06.1994 - VII ZB 5/94]), die notwendige vorherige Besprechung zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem Berufungsführer (BGH NJW 99, 430; 01, 3552 [BGH 01.08.2001 - VIII ZB 24/01]), der Wechsel des Prozessbevollmächtigten kurz vor Fristablauf (BGH NJW-RR 00, 799, 800). Die Gründe für die Fristverlängerung müssen noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bzw bei Fristablauf vorliegen.
Rn 9
Vor der Entscheidung über den Verlängerungsantrag ist dem Berufungsgegner rechtliches Gehör zu gewähren.
Rn 10
Liegt die Einwilligung des Gegners vor (s Rn 7), hat der Vorsitzende mit schriftlicher und von ihm unterschriebener Verfügung dem Verlängerungsantrag zu entsprechen, wenn dieser rechtzeitig und formwirksam (s Rn 6) gestellt wurde. Das Fristende muss nicht dem Datum entsprechen, welches der Berufungskläger genannt und welchem der Berufungsbeklagte zugestimmt hat. Der Vorsitzende kann nach pflichtgemäßem Ermessen auch eine kürzere Frist bestimmen; hinsichtlich der weitergehenden Frist gilt der Antrag dann als abgelehnt. Die zeitlich hinter dem Antrag zurückbleibende Bewilligung der Fristverlängerung ist dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers so rechtzeitig mitzuteilen (s dazu Rn 15), dass er die Berufungsbegründung noch innerhalb der Frist einreichen kann (BVerfG NJW 01, 812 [BVerfG 25.09.2000 - 1 BvR 464/00]).
Rn 11
Bei fehlender Einwilligung des Gegners (s Rn 8) ist zu unterscheiden: Wird kein erheblicher Grund für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dargelegt, hat der Vorsitzende zu beurteilen, ob durch die Verlängerung eine Verzögerung des Rechtsstreits eintritt. Ist das nach seiner freien Überzeugung der Fall, was allerdings kaum denkbar ist, muss er den Antrag zurückweisen; anderenfalls hat er ihm stattzugeben. Wird der Antrag auf das Vorliegen eines erheblichen Verlängerungsgrundes gestützt (s Rn 8), muss der Vorsitzende prüfen, ob er ausreichend dargelegt sowie glaubhaft gemacht und anzuerkennen ist. Bejaht er dies, muss er dem Antrag stattgeben, darauf darf der Berufungskläger bei dem erstmaligen Verlängerungsantrag vertrauen; anderenfalls ist der Antrag zurückzuweisen. Hinsichtlich der Dauer der Verlängerung ist der Vorsitzende auch hier nicht an das in dem Antrag angegebene Datum gebunden; er kann nach pflichtgemäßem Ermessen ein Datum innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat wählen (s.a. Rn 10 aE).
Rn 12
In der Verlängerungsverfügung ist das neue Fristende nach Datum zu bezeichnen. Möglich ist auch der Ausspruch der Verlängerung um einen bestimmten Zeitraum; in ...