Gesetzestext
(1) 1Wird die Berufung nicht nach § 522 durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen, so entscheidet das Berufungsgericht über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter. 2Sodann ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
(2) Auf die Frist, die zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Termins und der mündlichen Verhandlung liegen muss, ist § 274 Abs. 3 entsprechend anzuwenden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens muss das Berufungsgericht sofort im Anschluss an die Prüfung der Zulässigkeit und wahrscheinlichen Begründetheit des Rechtsmittels (§ 522) dem Verfahren Fortgang geben, wenn es die Berufung nicht zuvor durch Beschl als unzulässig verworfen (§ 522 Rn 2 ff) oder als unbegründet zurückgewiesen (§ 522 Rn 22 ff) hat. Erster Schritt ist dabei die Entscheidung über die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter, zweiter Schritt die Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Denn mangels Verwerfung oder Zurückweisung der Berufung steht jetzt fest, dass der Rechtsstreit durch Urt entschieden wird.
B. Einzelrichter-Übertragung (Abs 1 S 1).
I. Entscheidender Einzelrichter (§ 526).
Rn 2
Der entscheidende Einzelrichter ist ein Mitglied des für das Berufungsverfahren zuständigen Spruchkörpers (Kammer bei dem LG, Senat bei dem OLG). Er ist nach der Übertragung für den Rechtsstreit ›das Berufungsgericht‹, hat also alle Kompetenzen, die der gesamte Spruchkörper hat; er kann also auch die Berufung durch Urt verwerfen (BGH NJW-RR 12, 702, 703 [BGH 04.04.2012 - III ZR 75/11]).
Rn 3
Die Voraussetzungen, unter denen das Kollegialgericht den Rechtsstreit auf den entscheidenden Einzelrichter übertragen kann, ergeben sich aus den Vorschriften des § 526 I. Von der Möglichkeit der Übertragung sollte im Interesse der Akzeptanz von Berufungsurteilen, die bei Entscheidungen von Kollegialgerichten höher ist, und der größeren Richtigkeitsgewähr von Urteilen der Kollegialgerichte, weil sechs Augen mehr sehen als zwei, nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Jedenfalls dürfen die Gesichtspunkte der Entlastung des Spruchkörpers und der Verfahrensbeschleunigung nicht im Vordergrund stehen.
Rn 4
In § 526 II ist geregelt, in welchen Fällen der Rechtsstreit nach der Übertragung dem Kollegialgericht zur Rück-Übernahme vorzulegen ist.
Rn 5
Der Spruchkörper trifft die Entscheidung über die Übertragung durch Beschl (§ 526 I). Dieser ist nicht anfechtbar (§ 526 III; vgl BTDrs 14/4722, 99). Ausnahmsweise kann die Revision gegen das von dem Einzelrichter erlassene Berufungsurteil dann auf die fehlerhafte Übertragung gestützt werden, wenn diese objektiv willkürlich ist (BGH NJW 07, 1466, 1467). Das ist der Fall, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt worden sein (s nur BGHZ 154, 288, 300 mwN).
II. Vorbereitender Einzelrichter (§ 527).
Rn 6
Sieht das Berufungsgericht von der Übertragung des Rechtsstreits auf den entscheidenden Einzelrichter ab, muss es sogleich darüber entscheiden, ob es die Sache einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Vorbereitung der Entscheidung zuweist (§ 527). Zwar enthält die Vorschrift dieses Erfordernis nicht; aber im Interesse der Verfahrensbeschleunigung muss in diesem Stadium des Verfahrens so vorgegangen werden.
Rn 7
Die Aufgaben und Befugnisse des vorbereitenden Einzelrichters ergeben sich aus den Regelungen in § 527 II–IV.
Rn 8
Die Entscheidung über die Zuweisung obliegt ebenfalls dem gesamten Spruchkörper; sie ergeht durch nicht anfechtbaren Beschl.
Rn 9
Sieht der Spruchkörper von einer Übertragung des Rechtsstreits auf den entscheidenden Einzelrichter oder von der Zuweisung der Sache an den vorbereitenden Einzelrichter ab, bedarf dies keines besonderen Ausspruches, insb nicht durch Beschl.
C. Terminsbestimmung (Abs 1 S 2).
Rn 10
Nach der Entscheidung über die Übertragung des Rechtsstreits auf den entscheidenden oder die Zuweisung an den vorbereitenden Einzelrichter ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung zu bestimmen. Dies gilt sowohl für den Fall der Übertragung oder Zuweisung als auch für den Fall des Absehens davon. Die Anberaumung eines schriftlichen Vorverfahrens (§ 276) ist nicht zulässig.
Rn 11
Zuständig für die Anberaumung des Verhandlungstermins ist der Vorsitzende des Berufungsgerichts, wenn von der Übertragung auf den entscheidenden Einzelrichter abgesehen wurde, bzw dieser nach erfolgter Übertragung (§ 216 II).
D. Bekanntmachungsfrist (Abs 2).
Rn 12
Der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung ist den Parteien des Berufungsverfahrens und evtl Streithelfern bekannt zu machen. Dies muss durch förmliche Zustellung nach den Vorschriften der §§ 166 geschehen (§ 525 iVm § 329 II 2).
Rn 13
Zwischen der Zustellung der Terminsbestimmung und dem Termin muss ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen (Einlassungsfrist) liegen; bei einer Zustellung im Ausland kann eine längere Frist angesetzt werden (§ 274 III).
Rn 14
Zusammen mit der Bekanntmachung des Termins sind die Prozessbevollmächtigten der Parteien (vgl § 78 I 1) zu diesem zu laden.