Rn 4
Zwingende Voraussetzung für die Einlegung der Anschlussberufung ist, dass der Gegner bereits Berufung eingelegt hat; vorher gibt es noch keinen Berufungsbeklagten und auch kein Rechtsmittel, dem er sich anschließen kann. Eine verfrühte Anschlussberufung ist wirkungslos; sie wird jedoch ohne weiteres wirksam, wenn der Gegner später eine zulässige Berufung einlegt. Dies ist die Folge der Rechtsnatur der Anschlussberufung; sie ist kein Rechtsmittel, sondern eine Antragstellung innerhalb des von dem Berufungskläger in Gang gesetzten Berufungsverfahrens (s nur BGHZ 109, 41, 45).
Rn 5
Die Einlegung der Anschlussberufung setzt weiter voraus, dass die Berufung des Gegners nicht zurückgenommen, verworfen oder sonst erledigt ist. Legt der Berufungsbeklagte in diesen Fällen gleichwohl Anschlussberufung ein, ist die Anschließung wirkungslos.
Rn 6
Auf die Zulässigkeit und Begründetheit der Berufung des Berufungsklägers kommt es nicht an. Schließt sich der Berufungsbeklagte einer unzulässigen oder von vornherein unbegründeten Berufung des Gegners an, ist die Anschließung wirksam; sie verliert ihre Wirkung erst, wenn die Berufung des Gegners verworfen (§ 522 I) oder durch Beschl zurückgewiesen (§ 522 II) wird (Abs 4).
Rn 7
Die Anschlussberufung kann auch hilfsweise für den Fall eingelegt werden, dass die ebenfalls eingelegte Hauptberufung wegen Fristversäumung unzulässig ist (BGH NJW-RR 04, 1502f). Ist in diesem Fall die Hauptberufung tatsächlich unzulässig, darf sie gleichwohl nicht verworfen werden; denn die Hauptberufung und die hilfsweise eingelegte Anschlussberufung gelten als dasselbe Rechtsmittel, das im Ergebnis nur auf eine sachliche Überprüfung des angefochtenen Urteils gerichtet und über das einheitlich zu entscheiden ist (BGH NJW-RR 04, 1502, 1503 [BGH 23.06.2004 - IV ZB 9/04]). Auch für den Fall, dass der Antrag des Berufungsbeklagten auf Zurückweisung der Berufung des Gegners ohne Erfolg bleibt, kann er sich hilfsweise dieser Berufung anschließen, selbst wenn damit nur eine Klageerweiterung vorgenommen wird.
Rn 8
Eine unzulässige Hauptberufung des Beklagten kann auch ohne die hilfsweise erklärte Anschließung (Rn 7) in eine zulässige Anschlussberufung umgedeutet werden; dafür ist es notwendig, dass die Umdeutung von dem mutmaßlichen Parteiwillen gedeckt ist (BGH NJW 16, 445). Umgekehrt ist auch die Auslegung eines als Anschlussberufung bezeichneten Rechtsmittels in eine Hauptberufung möglich (BGH NJW 11, 1455, 1456f [BGH 29.03.2011 - VIII ZB 25/10]).
Rn 9
Eine Gegenanschließung des Berufungsklägers an die Anschlussberufung des Berufungsbeklagten ist nicht zulässig (BGHZ 88, 360, 361 ff). Dies ist die Folge davon, dass die Anschlussberufung nicht selbstständig, sondern von dem Schicksal der Berufung des Berufungsklägers abhängig ist (Rn 4 f). Das Gesetz sieht auch nur die Anschließung durch den Berufungsbeklagten an die Berufung des Berufungsklägers vor (Abs 1 S 1). Deshalb kann der Berufungskläger allenfalls seinerseits eine Anschlussberufung einlegen, wenn die Anschließung des Berufungsbeklagten – ganz oder teilweise – als Hauptberufung anzusehen und zulässig ist.