Rn 12
Auch ohne besondere gesetzliche Regelung kann sich die tw Unanwendbarkeit erstinstanzlicher Verfahrensvorschriften aus dem Wesen des Berufungsverfahrens ergeben. Dies gilt va für die Verweisung (§ 281). Dieser sind bereits durch § 513 II enge Grenzen gesetzt. Eine Verweisung zwischen verschiedenen Berufungsgerichten (LG – OLG) ist schon wegen der bei der Berufungseinlegung zu beachtenden Förmlichkeiten prinzipiell ausgeschlossen, eine beim unzuständigen Gericht eingelegte Berufung ist zu verwerfen, nicht zu verweisen (BGH NJW-RR 97, 55). Eine Ausnahme nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung kann zugelassen werden, wenn die Partei nicht erkennen kann, wo Berufung einzulegen ist (Nichterkennbarkeit des Tätigwerdens als Kartellspruchkörper, BGHZ 49, 33, 38; BGHZ 71, 367; Hamm NJW 16, 172 m Anm Vossler). § 506 lässt auch bei zulässiger Erweiterung der Klage in 2. Instanz über die Streitwertgrenze hinaus eine Verweisung von der Berufungskammer an eine erstinstanzliche Zivilkammer des LG nicht zu, selbst wenn den Parteien hierdurch möglicherweise eine Instanz verloren geht (LG Zweibr NJW-RR 94, 1087 [LG Zweibrücken 22.02.1994 - 3 S 159/93]; Musielak/Ball Rz 8; aA Oldbg NJW 73, 810 [OLG Oldenburg 06.11.1972 - 1 AR 3/72]). Auch die Verweisung durch das Berufungsgericht an das zuständige erstinstanzliche Gericht auf Antrag des Klägers im Rahmen seiner Berufung gegen ein wegen Unzuständigkeit ergangenes klageabweisendes Urt ist durch § 513 II ausgeschlossen (BGH NJW-RR 05, 501 [BGH 22.10.2004 - V ZR 47/04]; aA München NJW-RR 13, 1359 [BGH 04.07.2013 - VII ZR 192/11]; Köln NJW-RR 09, 569 [OLG Köln 16.06.2008 - 5 U 238/07]; Köln OLGZ 89, 83; Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 11; § 281 Rn 27). Die Verweisung auf einen anderen Rechtsweg kommt im Berufungsverfahren nicht in Betracht (§ 17a V GVG). Ein fehlerhaft ergangener Verweisungsbeschluss hat keine Bindungswirkung (BGH FamRZ 84, 36 [BGH 19.10.1983 - IVb ZR 35/83]; Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 13; aA BAG NJW 91, 1630 [BAG 20.12.1990 - 2 AZR 300/90]; MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 15).
Rn 13
Zweitinstanzlich anders zu beurteilen sein kann auch die Prozesswirtschaftlichkeit, insb die Sachdienlichkeit. Für diese ist maßgeblich, ob eine Zulassung den Streitstoff iRd anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einen weiteren Prozess vermeidet (BGH NJW-RR 94, 1143 [BGH 13.04.1994 - XII ZR 168/92]; § 263 Rn 20 ff). Zwar steht dem bei der Zulassung einer Klageänderung nach §§ 533, 263 regelmäßig nicht entgegen, dass die Parteien eine Instanz verlieren (BGH NJW 84, 1552, 1555 [BGH 30.03.1983 - VIII ZR 3/82]; 85, 1841, 1842 [BGH 10.01.1985 - III ZR 93/83]), doch kann sich dies bei der Parteiänderung (BGH NJW 94, 3358, 3359; 96, 2799) oder beim Wechsel vom Urkunden- ins allgemeine Verfahren anders darstellen (Frankf MDR 88, 326; § 533 Rn 12, 23, 31).
Rn 14
Eine – übereinstimmend oder einseitig erklärte – Erledigung der Hauptsache ist uneingeschränkt auch in 2. Instanz möglich (Köln ZinsO 19, 452), für eine einseitige Erledigung der Berufung ist dagegen nur ausnahmsweise Raum (so, wenn ihr durch eine nachträgliche Entscheidung nach § 269 III die Grundlage entzogen worden ist, BGH NJW 98, 2453, 2454 [BGH 12.05.1998 - XI ZR 219/97]; Eichele/Hirtz/Oberheim/Eichele Kap 6 Rz 30).