Rn 9
Nach der Zuweisung ist der vorbereitende Einzelrichter für die Dauer der Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben ›Gericht‹ im prozessualen Sinne und handelt – iRd ihm nach § 527 II, III zustehenden Befugnisse – anstelle des Spruchkörpers. Er ist nicht auf die ihm aufgetragenen konkreten Maßnahmen beschränkt, sondern kann eigenverantwortlich über notwendige Maßnahmen entscheiden (Musielak/Ball Rz 5; MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 8), nicht jedoch über die Hauptsache selbst. Die – wenn auch nur beschränkte – Befugnis zu eigenen Entscheidungen führt dazu, dass im Verfahren vor dem vorbereitenden Einzelrichter Anwaltszwang besteht (§ 78; MüKoZPO/v. Mettenheim § 78 Rz 23, Musielak/Ball Rz 5). Entscheidungen des Einzelrichters binden nach § 318 nicht nur ihn, sondern auch das Kollegium und sind nach den gleichen Grundsätzen anfechtbar wie Kollegialentscheidungen.
I. Förderung des Verfahrens (Abs 2).
Rn 10
Allgemeine Möglichkeiten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und der Herbeiführung der Entscheidungsreife ergeben sich aus § 525 iVm §§ 138 I 1, 278 II 2; 138 I 2, 273 II Nr 1; § 139 II; 273 II Nr 2; 278 II 2, 3; 142, 143, unterliegen aber den berufungsrechtlichen Beschränkungen zum Vortrag neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel. Zweck der Zuweisung kann die Durchführung der Beweisaufnahme sein. Diese ist trotz des Wortlauts von § 527 II 2 nicht auf ›einzelne Beweise‹ beschränkt, sondern kann die gesamte Beweisaufnahme umfassen (BGH NJW 13, 2519 [BGH 16.05.2013 - IX ZR 204/11]); grds geht hier das Beschleunigungsgebot dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vor, soweit sich nicht aus Besonderheiten des konkreten Prozesses etwas anderes ergibt (so für den Arzthaftungsprozess BGH NJW 94, 801 [BGH 26.10.1993 - VI ZR 155/92]).
II. Vergleich.
Rn 11
Die Parteien können auch vor dem Einzelrichter über den Streitgegenstand disponieren, insb sich wirksam vergleichen (§ 794 I Nr 1; St/J/Grunsky § 524 aF Rz 8).
III. Entscheidungen des Einzelrichters (Abs 3, 4).
Rn 12
Über die grundsätzliche Beschränkung seiner Befugnisse auf die Vorbereitung der Entscheidung durch das Kollegium hinaus regelt § 527 einige Ausnahmefälle, in denen der Einzelrichter auch Entscheidungen trifft. Überwiegend sind dies Fälle, die keine eigene Sachprüfung voraussetzen und nur Nebenfragen des Rechtsstreits oder gesetzliche vorgegebene Entscheidungen betreffen.
1. Fälle des Abs 3.
Rn 13
In den Fällen des § 527 III hat der Einzelrichter kein Ermessen, ob er entscheiden oder an das Kollegium zurückgeben will. Der Gesetzeswortlaut (›entscheidet‹) macht deutlich, dass die Entscheidung durch ihn ergehen muss (Musielak/Ball Rz 8; St/J/Grunsky § 524 aF Rz 16). Möglich ist allerdings, dass der Einzelrichter dem Kollegium vor seiner Entscheidung Gelegenheit gibt, die Sache an sich zu ziehen (Rn 26; St/J/Grunsky § 524 aF Rz 16).
a) Nr 1.
Rn 14
Der Einzelrichter entscheidet über die Verweisung nach § 100 GVG iVm den §§ 97 bis 99 GVG, d.h. über die Verweisungen zwischen der Kammer für Handelssachen und der Zivilkammer. Diese Alternative betrifft ausschließlich das beim LG geführte Berufungsverfahren. Nr 1 findet keine entsprechende Anwendung auf andere Verweisungen, etwa nach § 281 oder § 17a II GVG, für diese bleibt – wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 349 II Nr 1 ergibt – das Kollegium zuständig (St/J/Grunsky § 524 aF Rz 17).
b) Nr 2.
Rn 15
Der Einzelrichter entscheidet bei Zurücknahme der Klage (§ 269 III S 1 und 2, IV) oder der Berufung (§ 516 III), Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch (§ 306) oder Anerkenntnis des Anspruchs (§ 307). In analoger Anwendung der Nr 2 entscheidet er auch über einen Verzicht auf die Berufung, der als einseitiger Verzicht zu einer Verwerfungsentscheidung nach § 522 I, als übereinstimmender Verzicht zu einem Beschl analog § 516 III führt (§ 515 Rn 5, 6).
c) Nr 3.
Rn 16
Der Einzelrichter entscheidet bei Säumnis einer Partei oder beider Parteien (zu den Entscheidungsformen § 539). Erfasst werden hier die echten Versäumnisurteile gegen den Berufungskläger (§§ 539 I, 330) und gegen den Berufungsbeklagten (§§ 539 II, 331) genauso wie die Entscheidungen nach Lage der Akten (§§ 539 III, 331a, 251a) und die Entscheidungen über den Einspruch (§ 341). Erfasst wird auch das ›unechte Versäumnisurteil‹ (ThoPu/Reichold Rz 7, § 349 Rz 10; Zö/Gummer/Heßler Rz 11; St/J/Grunsky § 349 Rz 21; aA Köln WRP 69, 389; MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 15).
d) Nr 4.
Rn 17
Der Einzelrichter entscheidet über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, sofern nicht das Berufungsgericht gleichzeitig mit der Hauptsache hierüber entscheidet. Dies betrifft insb den Fall der dem Einzelrichter ggü übereinstimmend erklärten Erledigung (Schumann/Kramer Rz 425). Im Fall einseitiger Erledigungserklärung wird eine streitige Entscheidung erforderlich, die dem Kollegium vorbehalten ist.
e) Nr 5.
Rn 18
Der Einzelrichter entscheidet über den Wert des Streitgegenstands unabhängig davon, ob dieser für die Zulässigkeit der Berufung oder für die Höhe der Gebühren von Bedeutung ist (§§ 24, 25 GKG BayObLG DB 95, 1169).
f) Nr 6.
Rn 19
Der Einzelrichter entscheidet über Kosten, Gebühren und Auslagen, soweit sie in dem durch ihn beendeten Be...