Rn 2

Eine Zuweisung an den Einzelrichter ist in jedem Stadium des Verfahrens möglich, wenn eine Übertragung nach § 526 nicht beabsichtigt ist, unabhängig davon, ob bereits vor dem Kollegium oder dem Einzelrichter verhandelt wurde oder nicht. Verhindert werden soll, dass der Rechtsstreit dem Einzelrichter zunächst nur nach § 527 und später zusätzlich nach § 526 übertragen wird. Nur eine erneute Übertragung, nicht aber eine Zuweisung ist ausgeschlossen, wenn der Rechtsstreit dem Einzelrichter zunächst nach § 526 übertragen war, dann aber wieder vom Kollegium übernommen wurde (§ 526 II 4; Musielak/Ball Rz 3). Nicht ausgeschlossen ist auch eine erneute Zuweisung nach § 527, wenn sich nach Rückgabe an das Kollegium weitere vorbereitende Maßnahmen erforderlich werden.

1. Erforderlichkeit der Vorbereitung des Rechtsstreits.

 

Rn 3

Erforderlich für die Zuweisung an den Einzelrichter ist zunächst, dass die Entscheidung einer Vorbereitung bedarf, die in der regulären Verhandlung vor dem Kollegium nicht erfolgen kann. Ausgeschlossen ist eine Zuweisung damit, wenn der Rechtsstreit bereits entscheidungsreif ist oder erforderliche Vorbereitungshandlungen ohne besonderen Aufwand in der mündlichen Verhandlung vor dem Kollegium vorgenommen werden können (einfache Hinweise an die Parteien oder die Vernehmung nur eines Zeugen zu einem einfachen Beweisthema; Schumann/Kramer Rz 420).

2. Entscheidungsspielraum des Einzelrichters.

 

Rn 4

Dem Einzelrichter nach § 527 muss nach der Zuweisung ein – wenn auch beschränkter – Entscheidungsspielraum zustehen. Soll der Einzelrichter lediglich im Detail bereits vorgegebene Prozesshandlungen (zB eine durch Spruchkörperbeschluss fixierte Beweisaufnahme) durchführen, so handelt er allenfalls als beauftragter Richter iSd §§ 375 I, 1a, 402, 451 (BGH NJW 64, 108, 109). ›Einzelne‹ Beweise erheben zu können (§ 527 II 2) beinhaltet die Befugnis des Einzelrichters, über den Umfang der erforderlichen Beweisaufnahme (tw) selbst zu entscheiden. Nicht ausgeschlossen ist damit, dass der Einzelrichter die gesamte Beweisaufnahme durchführt, eine weitere Beweisaufnahme durch das Kollegium nicht mehr stattfindet. Möglich ist dies, wenn nicht Besonderheiten des Verfahrensgegenstands entgegenstehen (etwa im Arzthaftungsprozess), dies zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht wünschenswert und vornherein anzunehmen ist, dass dieses das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgerecht würdigen kann (BGH NJW 13, 2516 [BGH 13.03.2013 - VIII ZR 49/12]).

3. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.

 

Rn 5

Ist absehbar, dass die Vorbereitung der Entscheidung eine Beweisaufnahme beinhalten wird, kommt eine Zuweisung an den Einzelrichter nur in Betracht, wenn anzunehmen ist, dass das Berufungsgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck vom Verlauf der Beweisaufnahme (§ 355) sachgemäß zu würdigen vermag (§ 527 II 2). In der Regel untunlich (BGH FamRZ 65, 212, 213; Pantle NJW 91, 1279 [BGH 13.12.1990 - IX ZR 118/90]; Schneider DRiZ 78, 335; Schultze NJW 77, 2294) ist der Einsatz des Einzelrichters bei der Vernehmung von Zeugen oder Parteien, die Augenscheinseinnahme, wenn sie mit einer subjektiven Wertung verbunden ist, wenig entlastend wirkt er bei der Einholung eines schriftlichen Gutachtens (BGH NJW 94, 801, 802; Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 13). Auf den unmittelbaren Eindruck aller entscheidenden Richter kommt es auch bei einigen Prozessgegenständen (zB Arzthaftungssachen, BGH NJW 94, 801, 802 [BGH 26.10.1993 - VI ZR 155/92]) sowie bei der Wiederholung einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme an (BGH NJW 91, 1302; Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 12). Nur bedingt vermittelt werden kann der unmittelbare Eindruck durch einen (den Parteien bekannt gemachten: BGH NJW 00, 1420 [BGH 30.11.1999 - VI ZR 207/98]; 97, 1586; NJW-RR 95, 1210 [BGH 03.05.1995 - XI ZR 236/94]; Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 14; ThoPu/Reichold § 286 Rz 2) besonderen Vermerk des Einzelrichters über die nonverbalen Eindrücke der Beweisaufnahme (zur berechtigten Kritik an solchen Berichterstattervermerken Dötsch MDR 14, 755). Dabei ist die Wiedergabe objektiver Umstände sinnvoll aber nicht zwingend, persönliche Wertungen des Einzelrichters können ausreichen (›Der Zeuge wirkte offen, gutmütig und ehrlich‹: BGH NJW 91, 1302 [BGH 30.01.1990 - XI ZR 162/89]), wenn sie dem Kollegium eine eigene Beweiswürdigung ermöglichen und sich nicht in deren Vorwegnahme durch den Einzelrichter erschöpfen.

4. Fehlen der Voraussetzungen.

 

Rn 6

Fehlt es an den Voraussetzungen, hat die Zuweisung zu unterbleiben. Hat der Einzelrichter Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen, so kann er eine Entscheidung des Kollegiums herbeiführen (Schneider DRiZ 78, 335), das die Sache zurücknehmen oder (durch Nichtrücknahme) den Einzelrichter zur Fortsetzung seiner Tätigkeit anweisen kann. Stimmen die Parteien dem Tätigwerden des Einzelrichters zu, ist ein eventueller Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nach § 295 geheilt, die Revision kann darauf nicht mehr gestützt werden (BGH NJW 95, 1293 [BGH 19.12.1994 - II ZR 4/94]; 92, 1966 [BGH 18.03.1992 - VIII ZR 30/91]; 91, 1302 und 3284 [BGH 13.03.1991 -...

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