Rn 13
Inhalt und Reichweite dieser Bindung an die Anträge in der Berufungsinstanz können in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft sein.
1. Nicht mögliche Abänderungen.
Rn 14
Ist der Klage unter Abweisung iÜ tw stattgegeben worden, darf auf die Berufung des Klägers keine weitergehende Abweisung, auf die Berufung des Beklagten keine weitergehende Klagestattgabe erfolgen (RGZ 161, 171). Bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung kann auf eine Berufung des Beklagten hin nicht der Vorbehalt entfallen, auf Berufung des Klägers hin die Klage nicht völlig abgewiesen werden. Hat das LG auf Naturalrestitution erkannt, kann das Berufungsgericht ohne Antrag nicht auf Wertersatz umstellen. Werden mehrere Ansprüche geltend gemacht, gilt das Abänderungsverbot für jeden einzelnen Anspruch, selbst dann, wenn sie auf einem einheitlichen Klagegrund beruhen. Eine unzulässige Abänderung liegt nicht nur in quantitativen, sondern auch in qualitativen Abweichungen vom Antrag. Auf die Berufung gegen ein Grundurteil dürfen keine Ausführungen zur Höhe des Anspruchs gemacht werden, eventuelle Ausführungen des Erstgerichts hierzu indes können wegfallen. Wird ein Urt, das einer Zahlungsklage tw stattgibt und sie iÜ abweist, allein vom Beklagten mit der Berufung angegriffen, ist das Verschlechterungsverbot verletzt, wenn das Berufungsgericht eine vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung, die das Gericht 1. Instanz als unbegründet angesehen hat, mit dem in 1. Instanz abgewiesenen Teil der Klageforderung verrechnet. (BGH MDR 10, 1402). Hat das vorinstanzliche Gericht eine Klage nur aufgrund der vom Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung abgewiesen und legt nur der Kl ein Rechtsmittel ein, so ist dem Rechtsmittelgericht die erneute Überprüfung der Klageforderung verwehrt (Nürnbg MDR 11, 446). Wird ein das Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil verletzendes Teilurteil nur teilweise angefochten, steht einer auf diesen Verfahrensfehler gestützten Aufhebung des gesamten Teilurteils das Verbot der reformatio in peius entgegen (BGH NJW 13, 1009 [BGH 30.11.2012 - V ZR 245/11]).
2. Mögliche Abänderungen.
Rn 15
Nicht von der Rechtskraft und damit auch nicht vom Abänderungsverbot erfasst wird die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Bleibt das Ergebnis gleich, können (Anspruchs- oder Gegenrechts-)Normen ausgewechselt, eine zugrunde gelegte Schuldform geändert (Vorsatz statt Fahrlässigkeit), Bemessungsfaktoren für Schmerzensgeld (Saarbr ZfSch 15, 686; Jena ZMGR 12, 38) oder Mitverschulden neu einbezogen, weggelassen oder umgewichtet werden. Bleibt der Saldo unverändert, können einzelne Rechnungsposten einer einheitlichen Abrechnung verändert werden (BGH NJW 04, 95, 96 [BFH 14.10.2003 - IX R 68/98]; Kobl RuS 20, 106 m Anm Rogler 107). Eine bloß vorübergehend wirkender Klageabweisungsgrund kann durch einen dauerhaften ausgetauscht werden und umgekehrt (BGH NJW 88, 1982, 1983 [BGH 21.04.1988 - VII ZR 372/86]; Köln Urt v 2.4.15 – 24 U 175/14; aA Siemon MDR 04, 301, 305). Eine erstinstanzlich festgestellte Gesamtschuld kann entfallen (Oldbg Urt v 28.9.18 – 11 U 41/17). Die Abweisung der Klage kann statt der mangelnden Fälligkeit mit dem Nichtbestehen des Anspruchs dem Grunde nach begründet werden (Ddorf OLGR 03, 449). Die Abweisung der Klage als unzulässig kann durch eine Abweisung als unbegründet ersetzt werden (BGH NJW 89, 393, 394 [BGH 22.11.1988 - VI ZR 341/87]; Frankf Beschl v 23.2.18 – 3 U 39/17; Rostock MDR 03, 828). Dies gilt auch für die Abweisung der Urkundsklage als unbegründet nach vorangegangener Abweisung als in der gewählten Prozessart unstatthaft (Celle MDR 14, 1228). Greift der Kl eine tw Klageabweisung mit der Berufung an, kann die Klage insgesamt als unzulässig abgewiesen werden, wenn zwingende, vAw zu beachtende Prozessvoraussetzungen fehlen und eine Heilung ausgeschlossen ist (BGH NJW 86, 1494 [BGH 18.12.1985 - IVb ZB 677/81]). Entsprechendes gilt auf die nur tw Anfechtung eines Urteils beim Fehlen vAw zu beachtender Mängel der Klage (BGH NJW 89, 229, 230 [BGH 19.10.1988 - IVb ZR 10/88]; aA Karlsr OLGR 04, 511). Abgeändert werden kann der Grund des Anspruchs auch dann, wenn mit der Berufung nur dessen Höhe angegriffen wird (München Urt v 31.8.18 – 25 U 607/18). Eine erstinstanzlich erfolgreiche, mit der Berufung nicht angegriffene Widerklage kann als unzulässig abgewiesen werden (BGH NJW 09, 1671 [BGH 05.03.2009 - IX ZR 141/07]; LG Frankf WuM 16, 384 [LG München I 01.02.2016 - 1 S 12786/15]).
Rn 16
Die unabhängig von den gestellten Anträgen zu treffenden Nebenentscheidungen (Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit) können inhaltlich auch zu Lasten des Berufungsführers neu getroffen werden. Das Abänderungsverbot gilt auch nicht in den Fällen notwendiger Streitgenossenschaft (§ 62). Da hier aus materiellen oder aus prozessualen Gründen eine einheitliche Sachentscheidung geboten ist, muss das Urt ggf auch über die gestellten Anträge hinaus abgeändert werden (Köln VersR 74, 64).
Rn 17
Nicht durch § 528 ausgeschlossen ist die Möglichkeit, weniger zuzusprechen als beantragt, wenn das...