Rn 3

Anwendbar sind Abs 1 und Abs 2 nur auf Angriffs- und Verteidigungsmittel (dazu § 282 Rn 3, § 296 Rn 6, § 530 Rn 5). Erfasst werden alle von den Parteien zur Begründung des Sachantrags der Berufung bzw Anschlussberufung oder zur Verteidigung gegen ihn vorgebrachten Tatsachen. Hierunter fallen insb das Behaupten (BGH NJW 80, 1794), Bestreiten (BGH JZ 77, 102; KG Berlin WM 18, 121) oder Beweisen (BGHZ 198, 187; BGH MDR 09, 281; KG Urt v 12.5.11 – 23 U 72/11; Oldenbg MDR 10, 1078) von Tatsachen. Angriffs- bzw Verteidigungsmittel ist der Vortrag der zur Ausfüllung materieller oder prozessualer Rechte (Einwendungen und Einreden; BGH NJW 04, 2828 [BGH 08.06.2004 - VI ZR 230/03]) dienenden Tatsachen, bei den nur auf Geltendmachung hin zu berücksichtigenden Rechten auch diese Geltendmachung selbst (zur Verjährungseinrede BGH NJW 08, 3434 [BGH 23.06.2008 - GSZ 1/08] und Frankf Urt v 24.2.10 – 9 U 93/06; zur Geltendmachung von Obliegenheitsverletzungen im Versicherungsrecht BGH NJW 05, 1185; zum Vorbehalt beschränkter Erbenhaftung BGH NJW-RR 10, 664 [BGH 02.02.2010 - VI ZR 82/09]). Zur Anwendung des § 531 II auf Gestaltungsrechte Rn 18, 21, 24 und BGH NJW 19, 80; WM 18, 2196 [BGH 17.10.2018 - VIII ZR 212/17]; BAG MDR 84, 347; BGH NJW 64, 1797), Beweiseinreden stellen Angriffs- und Verteidigungsmittel nur dann dar, wenn sie über die bloße Würdigung hinausgehen und auf besondere Tatsachen gestützt werden (BGH NJW 06, 152; KG SchadensPraxis 10, 392). Sind Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten wegen der erforderlichen besonderen Sachkunde nur nach sachverständiger Beratung möglich (so vielfach im Arzthaftungs- oder Bauprozess), so können diese nach § 531 nicht zurückgewiesen werden (BGH NJW 07, 1531; NJW 06, 152). Auch die Aufrechnung ist Verteidigungsmittel (BGHZ 91, 293, 303), für sie gelten indes die besonderen Voraussetzungen des § 533. Keine Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die mit der Stellung eines neuen oder der Änderung des bisherigen Antrags verbundenen selbstständigen Angriffe und Verteidigungen (Klage, Klageerweiterung, Klageänderung, Widerklage, Anschlussberufung; BGH NJW 17, 491 [BGH 20.09.2016 - VIII ZR 247/15]). Zum Angriff selbst und nicht zu den bloßen Angriffsmitteln gehört auch die im Hinblick auf § 253 II vorgenommene nähere Aufgliederung der Klageforderung (BGH NJW 13, 1367; 97, 870; 93, 1392 [BGH 10.02.1993 - XII ZR 241/91]); die Zulässigkeit neuen Tatsachenvortrags hierzu richtet sich nicht nach § 531, sondern nach § 533. Keine Angriffs- und Verteidigungsmittel sind auch bloße Rechtsausführungen (Hamm VersR 11, 637 [OLG Hamm 26.10.2010 - I-21 U 163/08]) oder Wertungen und Ansichten (BGH NJW-RR 03, 1321 [BGH 26.06.2003 - VII ZR 281/02]; unten Rn 23). Hierzu gehören wertende Ausführungen zur Anwendbarkeit oder Auslegung von Rechtsnormen und Willenserklärungen (Brandbg NL-BzAR 09, 156) und die Rüge der Unschlüssigkeit des gegnerischen Vortrags (BGH NJW 09, 679 [BGH 31.10.2008 - V ZR 71/08]), nicht aber innere Tatsachen wie Kenntnisse, Absichten, Fähigkeiten oder hypothetische Geschehensabläufe (Dresd Urt v 24.9.09 – 4 U 1744/08). Nicht unter § 531 fällt ein in zweiter Instanz hilfsweise angekündigter Verweisungsantrag (Ddorf Urt v 2.12.13 – 14 U 136/13).

Dieser Inhalt ist unter anderem im HSO FV Sachsen online Kompaktversion enthalten. Sie wollen mehr?