Rn 45
Nach der Zurückverweisung wird der Rechtsstreit in der 1. Instanz weiter verhandelt. Bei der weiteren Verhandlung in 1. Instanz handelt es sich nicht um den Beginn eines neuen, sondern um die Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens. Dieses dauert fort, soweit es nicht im Zurückverweisungsurteil aufgehoben ist (BGH MDR 19, 563 [BGH 27.02.2019 - VIII ZR 255/17]; NJW-RR 17, 72 [BGH 23.08.2016 - VIII ZR 178/15]; NJW 04, 2382 [BGH 02.04.2004 - V ZR 107/03]). Frühere Prozesshandlungen, etwa Geständnisse, behalten damit grds ihre Wirksamkeit genauso wie bereits durchgeführte Beweisaufnahmen, eine bereits eingetretene Teilrechtskraft wird weder beseitigt noch im Wege der Fiktion hinweg gedacht (BGH NJW 09, 148 [BGH 16.10.2008 - III ZR 253/07]). Die Beschränkungen der Möglichkeit zum Vortrag neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel und neuer Ansprüche der 2. Instanz (§§ 529 ff) gelten nicht mehr, da das Berufungsverfahren beendet ist. Die Zulässigkeit neuen Vortrags ist allein an der Grenze des § 296 zu messen. Wegen der Notwendigkeit einer neuen mündlichen Verhandlung kommt eine Verzögerung für neues Vorbringen, das schon dem Berufungsgericht ggü oder unmittelbar nach der Zurückverweisung geltend gemacht wurde, kaum in Betracht.
Rn 46
Entsprechend § 563 II ist das erstinstanzliche Gericht an die Entscheidung des Berufungsgerichts gebunden, darf davon also nicht mehr abweichen (GmS-OGB 1/72, BGH ZFIR 20, 556; MDR 13, 296; BGHZ 60, 392, 396; BGH NJW 05, 1319; Bremen NZFam 17, 856; Naumbg MittdtschPatAnw 10, 495; B/L/H/A/G/Göertz Rz 3). Ähnlich wie die Rechtskraft erfasst die Bindungswirkung nur das Gericht, an das zurückverwiesen wurde und wirkt nur in dem konkreten Einzelfall, gilt hier aber ausnahmslos, also etwa auch dann, wenn das Berufungsgericht von einer überwiegend vertretenen Auffassung oder von der des Bundesgerichtshofs abgewichen ist (BGH NJW 07, 1127 [BGH 21.11.2006 - XI ZR 347/05]; München Urt v 5.5.09 – 5 U 4547/08), hält selbst verfassungsrechtlichen Bedenken jedenfalls dann stand, wenn diese vom verweisenden Gericht behandelt wurden (BVerfGE 65, 132). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die tragenden Entscheidungsgründe, nicht auf obiter dicta oder Hinweise zum weiteren Verfahren, unabhängig davon, ob diese verfahrens- oder materiell-rechtlicher Natur sind (BGHZ 31, 364; BGHZ 59, 84). Solche Hinweise können für den weiteren Verfahrensablauf und zur Vermeidung weiterer Rechtsmittel sinnvoll und wünschenswert sein (Zö/Gummer § 563 Rz 3a), zwingend vorgeben kann das Berufungsgericht den Verfahrensablauf in 1. Instanz nicht. Bei einem Streit über die Reichweite der Bindungswirkung ist die Auffassung des Rechtsmittelgerichts entscheidend (Zö/Gummer/Heßler Rz 60). Die Bindungswirkung entfällt, wenn sich nach der Zurückverweisung entweder der zugrunde zu legende Sachverhalt (OLG Naumbg Urt v 25.2.10 – 1 U [Kart] 89/09) oder die einschlägige höchstrichterliche Rspr ändert (GmS-OGB 1/72, BGHZ 60, 392, 397 f; Bremen NZFam 17, 856; Bremen NJW-RR 09, 1510 [OLG Bremen 26.01.2009 - 3 U 32/08]). Soweit das erstinstanzliche Urt (tw) nicht aufgehoben, sondern bestätigt wurde, ist das Erstgericht nach § 318 auch an diese eigene Entscheidung gebunden. Keine Bindung besteht an das aufgehobene Urt. Weitere Beschränkungen der Entscheidungsbefugnis des erstinstanzlichen Gerichts können sich aus dem Verschlechterungsverbot (§ 528) ergeben (BGH MDR 89, 979; Zö/Gummer/Heßler Rz 61; Musielak/Ball Rz 38).
Rn 47
Erweckt der erstinstanzliche Richter in der erneuten Verhandlung den Eindruck, er halte an seiner vom Berufungsgericht beanstandeten Rechtsauffassung fest, kann dies die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (Frankf IBR 18, 425).
Rn 48
Kommt die Sache nach einer Berufung gegen die weitere Entscheidung des erstinstanzlichen Gericht erneut in die Berufung, so ist das Berufungsgericht in entsprechender Anwendung des § 563 II, der unmittelbar nur für die Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht gilt, grds an die von ihm selbst im vorangegangenen Zurückverweisungsurteil vertretene Rechtsauffassung gebunden (BGH NJW 07, 1127; BGH NJW 92, 2831, 2832; Tiedtke ZIP 93, 252; Eichele/Hirtz/Oberheim/Oberheim Kap 20 Rz 21). Diese Bindungswirkung reicht aber nur soweit, wie sie der Aufhebung des landgerichtlichen Urteils zu Grunde liegt (GmSOGB BGHZ 60, 392, 396 f; BGH NJW 92, 2831, 2832 [BGH 23.06.1992 - XI ZR 227/91]). Dazu gehört die rechtliche Würdigung des Rechtsmittelgerichts, welche die Beurteilung durch die Vorinstanz missbilligt und deshalb unmittelbar zur Aufhebung ihrer Entscheidung geführt hat. Soweit das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung billigt, tritt eine Bindung nicht ein (BGH MDR 05, 1241; St/J/Grunsky § 565 aF Rz 10). Die Bindungswirkung des Berufungsgerichts entfällt auch, wenn dieses seine bisherige Rspr wegen zwischenzeitlicher Änderung der höchstrichterlichen Rspr ausdrücklich aufgibt (Bremen NJW-RR 09, 1510 [OLG Bremen 26.01.2009 - 3 U 32/08]).