Rn 11
Voraussetzung für ein Versäumnisurteil gegen den Berufungsbeklagten ist neben dessen Säumnis ein entsprechender Antrag des Gegners (zu beidem Rn 7–9 und § 331 Rn 2 ff). Folge der Säumnis des Berufungsbeklagten ist, dass das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen ist. Erforderlich ist damit eine Schlüssigkeitsprüfung dahin, ob der Vortrag des Berufungsklägers – seine Wahrheit unterstellt – ausreicht, das angefochtene Urt im Sinne seines Antrags abzuändern.
I. Geständnisfiktion.
Rn 12
Als zugestanden angesehen (§§ 138 III, 288) werden können nicht bloße Rechtsansichten (aA München NJW 76, 489 [OLG München 23.10.1975 - 1 U 2564/75]), sondern lediglich Tatsachenvorbringen des Berufungsklägers. Umfasst wird das gesamte erst- und zweitinstanzliche Vorbringen des Berufungsklägers. Die Beschränkung in § 539 II 1 auf ›zulässiges‹ tatsächliches Vorbringen steht weder einer Berücksichtigung erstinstanzlich nach § 531 I rechtmäßig zurückgewiesenen noch einer Berücksichtigung neuen Vorbringens iSd § 531 II entgegen, weil die Präklusionsvorschriften keinen Sanktionscharakter haben und Vorbringen, das die Erledigung nicht verzögert, stets berücksichtigt werden muss (MüKoZPO/Rimmelspacher § 539 Rz 12; Zö/Gummer/Heßler § 539 Rz 16). Zur Berücksichtigung unstreitigen neuen Vorbringens auch ohne die Voraussetzungen des § 531 II dort Rn 30. Die gegenteilige Auffassung hält eine solche Auslegung gegen den klaren Wortlaut des § 539 II 1 für nicht möglich (Wieczorek/Schütze/Gerken § 539 Rz 18, 21; Musielak/Ball § 539 Rz 7). Als zugestanden anzusehen ist erstinstanzliches Vorbringen des Berufungsklägers auch dann, wenn es durch ein eindeutiges Beweisergebnis widerlegt ist (BAG NJW 04, 3732). Auf neue Ansprüche (Klageänderung, Aufrechnungsforderung, Widerklage) kann sich das neue Vorbringen beziehen, soweit die Berücksichtigungsvoraussetzungen des § 533 vorliegen (dh der Vortrag des Berufungsklägers hierzu als zugestanden angesehen werden kann). Soweit neues Vorbringen als zugestanden anzusehen ist, muss es dem Berufungskläger rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden sein (§§ 539 III, 335 I Nr 3).
II. Verfahren.
Rn 13
Eine Beweisaufnahme kann vor Erlass des Versäumnisurteils nur bzgl der vAw zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen erforderlich werden, in allen anderen Fällen ist sie als Folge der Geständnisfiktion obsolet (§ 288 I).
III. Versäumnisurteil.
Rn 14
Ist der Vortrag des Berufungsklägers schlüssig, erfolgt durch (echtes) Versäumnisurteil eine Abänderung des angefochtenen Urteils iRd gestellten Sachantrags. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr 2, eine Zulassung der Revision kommt nicht in Betracht. Das Versäumnisurteil bedarf keiner Begründung (Tatbestand, Entscheidungsgründe), muss aber als solches bezeichnet werden (§ 525, 539 III, 313b I). Ist der Vortrag des Berufungsklägers unschlüssig, wird die Berufung durch kontradiktorisches Urt (›unechtes Versäumnisurteil‹) zurückgewiesen (§ 539 II 2 HS 2; BGH ZIP 86, 740; NJW 67, 2162). Dieses entspricht formal § 540.