Rn 11
Tatbestand und Entscheidungsgründe werden beim Berufungsurteil nicht mit eigenen Überschriften versehen, sondern nach § 540 I Teile der einheitlichen ›Gründe‹ des Urteils, die sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Feststellungen des Berufungsgerichts umfassen. Die Gründe müssen erkennen lassen, dass das Gericht den wesentlichen Kern des Vortrags der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BGH NJW 07, 1455; NJW-RR 05, 1603). Aus dem Berufungsurteil muss zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (BGH MDR 17, 785; NJW 11, 2300; BGHZ 156, 216).
I. Tatsächliche Feststellungen.
Rn 12
Unterliegt ein Berufungsurteil der Revision, müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung aus dem Urteil oder – im Falle des § 540 Abs 1 S 2 – aus dem Sitzungsprotokoll einschließlich der im Urteil oder im Sitzungsprotokoll enthaltenen Bezugnahmen so erschließen, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung stattfinden kann (BGH DAR 18, 78; NJW 16, 3787; BGHZ 158, 60, 62). Weiter muss das Berufungsurteil in diesem Fall erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist und welche Berufungsanträge die Parteien zumindest sinngemäß gestellt haben (BGH NJW-RR 18, 1087 [BGH 12.06.2018 - II ZR 229/16]; NJW 16, 3787; WM 14, 217 [BGH 17.12.2013 - II ZR 21/12]; NJW 07, 2334 [BGH 29.03.2007 - I ZR 152/04]).
1. Klassischer Berufungstatbestand.
Rn 13
Der klassische, § 313 II entsprechende Tatbestand eines Berufungsurteils bestand neben der Überschrift, einem Einleitungssatz und dem unstreitigen Vorbringen der Parteien über beide Instanzen aus der Wiedergabe des erstinstanzlichen Vorbringen (streitiges Vorbringen des Klägers, Anträge des Klägers und des Beklagten, streitiges Vorbringen des Beklagten, Ergebnis einer Beweisaufnahme), dem erstinstanzlichen Urt (Ergebnis, tragende Gründe und Zustellungsdatum), der Berufung (Einlegungs- und Begründungsdatum) und dem Vorbringen der Parteien in 2. Instanz (streitiges Vorbringen des Berufungsklägers, Anträge von Berufungskläger und Berufungsbeklagtem, streitiges Vorbringen des Berufungsbeklagten, Ergebnis einer zweitinstanzlichen Beweisaufnahme).
2. Tatbestandssurogat (Abs 1 Nr 1).
Rn 14
Mit Wechsel der Berufungsinstanz von einer Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens hin zu einer bloßen Fehlerkontrolle und -beseitigung braucht das Berufungsurteil den Inhalt der Sachentscheidung nicht vollständig darzustellen, sondern kann sich auf die Darstellung derjenigen tatsächlichen Umstände beschränken, die im erstinstanzlichen Urt unrichtig oder unvollständig wiedergegeben oder in 2. Instanz neu vorgetragen sind und iÜ auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urt Bezug nehmen. Dies kann dazu führen, dass das Berufungsurteil aus sich selbst heraus nicht mehr verständlich ist, so dass im Einzelfall ein Absehen von den Abkürzungsmöglichkeiten des § 540 ratsam ist. Erforderlich ist in jedem Fall, dass aus dem Berufungsurteil ersichtlich ist, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien in der Berufung verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (BGH MDR 17, 529 [BGH 10.01.2017 - II ZR 94/15]; MDR 13, 1360; WuM 09, 248; NJW 07, 2334 [BGH 29.03.2007 - I ZR 152/04]). Ein Berufungsurteil, das weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils noch eine eigene Darstellung des Sach- und Streitstands enthält, unterliegt im Revisionsverfahren grds der Aufhebung und Zurückverweisung (BGH NJW-RR 07, 524 [BGH 12.01.2007 - V ZR 268/05]; MDR 06, 1127; NJW-RR 04, 494).
Rn 15
Die Bezugnahme erfolgt auf die ›tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil‹ und damit nicht allein auf dessen Tatbestand, sondern auch auf in den Entscheidungsgründen enthaltene Tatsachen (BGH NJW 97, 1931). Sie ist begrifflich möglich nur auf das erstinstanzliche Vorbringen. Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils, die im Berufungsurteil nicht wiederholt und nicht in Bezug genommen werden, werden nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens (BGH NJW 10, 3372 [BGH 11.08.2010 - XII ZR 102/09]; NJW-RR 09, 340 [BGH 11.12.2008 - IX ZR 194/07]). Die in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen können im Revisionsverfahren nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 III 1 Nr 2 bzw mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 beseitigt werden (BGH NJW 11, 2349 [BGH 11.01.2011 - XI ZR 326/08]; WM 11, 309 [BGH 11.01.2011 - XI ZR 220/08]; NJW-RR 07, 1434 [BGH 08.01.2007 - II ZR 334/04]; Dührsen/Richter ArbR 15, 420; 470). Änderungen sind erforderlich, soweit die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen nach Auffassung des Berufungsgerichts unrichtig sind, Ergänzungen, soweit sie unvollständig si...