Rn 21

Problematisch erscheint, dass nach der Rspr des BGH die offensichtliche Unrichtigkeit des Berufungsurteils allein kein Grund für die Zulassung der Revision sein soll (BGHZ 154, 288, 294f). Das BVerfG hat diese Rspr zwar gebilligt (BVerfG NJW 05, 3345, 3346). Fehlt es mithin an Anhaltspunkten für eine Wiederholungsgefahr oder Nachahmungsgefahr, wären danach selbst grobe und evidente Fehlurteile einer Korrektur durch das Revisionsgericht entzogen. Auch wenn die Absicht des Gesetzgebers, dass das Erfordernis einer Ergebniskorrektur wegen offenbarer Unrichtigkeit die Zulassung der Revision geboten erscheinen lässt (vgl BTDrs 14/4722, 67), nicht in der Formulierung des Gesetzes zum Ausdruck gebracht worden ist (ebenso wenig iÜ wie das gesetzgeberische Motiv der Zulassung wegen der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts), ist die Verdrängung des Individualinteresses an einer Ergebniskorrektur bei der Zugangskontrolle zur Revisionsinstanz nicht begründet (ähnl Musielak/Voit/Ball § 543 Rz 9j; vgl auch Ahrens/Bornkamm Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl, Kap 30; Rn 19, wonach unter dem Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rspr auch der offensichtliche und schwere Fehler des Berufungsgericht zu erfassen ist; aA St/J/Jacobs § 543 Rz 16). Der Revisionsinstanz ist Rspr übertragen. Grundlage auch der revisionsrechtlichen Rechtsfortbildung muss ›die Sicherung rechtsstaatlicher Rechtsgewährung sein, die sich im Einzelfall verwirklicht‹ (Zö/Heßler § 543 Rz 8). Das Vertrauen in die Rspr ist nicht nur dann erschüttert, wenn es um die Rspr als Ganzes geht, sondern auch und gerade, wenn ein Urt eines Berufungsgerichts – auch wenn die Schwelle zur Willkür noch nicht erreicht ist – grob fehlerhaft ist. Auch die Absicht des Gesetzgebers, die Revision wegen Verletzung eines Verfahrensgrundrechts zuzulassen, hat im Gesetzeswortlaut keinen Anklang gefunden. Dennoch ergibt die Verletzung eines Verfahrensgrundrechts, wenn die Entscheidung darauf beruht, einen Zulassungsgrund. Dasselbe sollte auch gelten, wenn ein grober Rechtsanwendungsfehler vorliegt. Gravierende Fälle, die die Einzelfallgerechtigkeit verletzen, sollten dem Zugriff des Revisionsgerichts geöffnet werden. Die Billigung einer grob fehlerhaften, offensichtlich unrichtigen Entscheidung durch Nichtzulassung der Revision ist mit der Würde und der Verantwortung des höchsten deutschen Zivilgerichts kaum vereinbar (vgl auch § 544 Rn 17). Dem Revisionsgericht kommt eine Kontrollfunktion im Instanzenzug auch bezogen auf die Rechtsgewährung im Einzelfall zu (Zö/Heßler § 544 Rz 2).

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