I. Normzweck und Normzusammenhang.
Rn 1
§ 546 ist im Zusammenhang mit §§ 545 und 559 zu sehen. Aus dem Zusammenhang dieser Normen und ihres Regelungsbereiches ergibt sich, dass das Revisionsgericht das Berufungsurteil nur in rechtlicher, nicht jedoch in tatsächlicher Hinsicht nachzuprüfen hat. Das Revisionsgericht hat seiner Überprüfung den vom Berufungsgericht festgestellten Sach- und Streitstand zugrunde zu legen. Neues tatsächliches Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz kann grds nicht berücksichtigt werden (§ 559 I, zu den Ausnahmen vgl § 559 Rn 6 ff). Tatsachenfeststellungen in der Berufungsinstanz sind für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, die Tatsachenfeststellung beruht ihrerseits auf einer Verletzung materiellen Rechts bzw ist von einem ordnungsgemäß gerügten (§ 551 III 1 Nr 2 lit b) Verfahrensfehler beeinflusst. Hat das Berufungsgericht von einer Sachaufklärung abgesehen, ist der – namhaft zu machende – zweitinstanzliche Tatsachenvortrag des Revisionsklägers als wahr zu unterstellen und der revisionsrechtlichen Überprüfung des Berufungsurteils zugrunde zu legen (Musielak/Voit/Ball § 546 Rz 2). Bei der Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts auf Fehler bei der Rechtsanwendung (§ 546) legt das Revisionsgericht das von ihm selbstständig ermittelte, auszulegende und anzuwendende (Musielak/Voit/Ball § 546 Rz 2), gem § 545 maßgebliche revisible Recht zugrunde.
II. Tatfrage/Rechtsfrage.
Rn 2
Da das Revisionsgericht auf die Überprüfung der Rechtsanwendung beschränkt ist, kommt der Unterscheidung dessen, was Tatfrage und was Rechtsfrage ist, hohe Bedeutung zu. Da jedoch auch prozessuale Normen Recht iSd § 546 sind und eine Verfahrensrüge gem § 551 III Nr 2 lit b im Falle ihres Erfolges dazu führt, dass das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gebunden ist (§ 559), können auch tatrichterliche Feststellungen, vorausgesetzt, sie werden ordnungsgemäß gerügt, der revisionsrechtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen. Ein Bsp mag das Wechselspiel von Rechtsfrage und Tatfrage und die sich hieraus ergebenden Grenzen revisionsrechtlicher Nachprüfbarkeit illustrieren: im Kennzeichenrecht ist die Beurteilung der Verwechslungsgefahr gem § 14 II Nr 2 und § 15 II MarkenG unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des klägerischen Kennzeichens und dem Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen bzw dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete der Parteien (stRspr vgl nur BGH GRUR 08, 1002 [BGH 03.04.2008 - I ZR 49/05] Tz 23 ›Schuhpark‹; BGH GRUR 05, 61 – CompuNet/ComNet II jmzwN.). Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr und der Zeichenähnlichkeit als einer ihrer Faktoren ist eine Rechtsfrage. Die Prüfung der Zeichenähnlichkeit setzt allerdings tatsächliche Feststellungen zum Gesamteindruck der Zeichen voraus (vgl nur BGH GRUR 05, 61, 62 [BGH 13.10.2004 - I ZR 66/02] – CompuNet/ComNet II). Im Revisionsverfahren kann die Beurteilung des Gesamteindruckes, die grds auf tatrichterlichem Gebiet liegt, nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob ihr ein unzutreffender Rechtsbegriff zugrunde liegt, sie gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt sind (vgl nur BGH GRUR 09, 672 [BGH 02.04.2009 - I ZR 78/06] Tz 35 – OSTSEE-POST; GRUR 04, 514, 516 [BGH 27.11.2003 - I ZR 79/01] ›Telekom‹). Dasselbe gilt für die Beurteilung der Warenähnlichkeit bzw Branchennähe und der Kennzeichnungskraft. Das Bsp zeigt das Zusammenspiel von Rechtsfragen und Tatfragen und das Erfordernis sowie die Möglichkeit, tatrichterliche Feststellungen in revisionsrechtlich zulässiger Weise anzugreifen.