Gesetzestext
Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.
A. Normzusammenhang.
Rn 1
§ 560 ist im Zusammenhang mit § 545 I zu sehen. Während § 545 I regelt, dass die Revision nur auf eine Verletzung des Rechts gestützt werden kann, wozu nach der Neufassung des § 545 I auch solche Rechtsnormen gehören, deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk eines OLG hinaus erstreckt (§ 545 Rn 3 ff), regelt § 560 die Frage, wie irrevisibles Recht und die hierzu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vom Revisionsgericht zu behandeln sind (Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 1).
B. Bindung an nicht revisibles Recht.
Rn 2
Das Revisionsgericht ist grds an Entscheidungen des Berufungsgerichts über die Existenz und den Inhalt irrevisiblen Rechts ebenso gebunden wie an Tatsachenfeststellungen (§ 559 II) (MüKoZPO/Krüger § 560 Rz 1; Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 2). Das Revisionsgericht kann mithin nicht nachprüfen, ob das irrevisible Recht richtig ausgelegt und ob es richtig und vollständig angewendet worden ist (Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 2). Irrevisibles Recht ist der Nachprüfung auch entzogen, soweit es lediglich eine Vorfrage revisibler Rechtssätze betrifft. Demgegenüber ist die Entscheidung über einen aus einer irrevisiblen Rechtsgrundlage hergeleiteten Anspruch insoweit überprüfbar, als es hierfür auf eine Vorfrage ankommt, die nach revisiblem Recht zu beurteilen ist (BGHZ 118, 295, 299; Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 2; MüKoZPO/Krüger § 560 Rz 2). Im Rahmen der Bindung des Revisionsgerichts sind auch auf § 286 gestützte Revisionsrügen ausgeschlossen (BGH NJW 94, 1408, 1409; NJW 92, 438, 440 [BGH 06.11.1991 - XII ZR 240/90]). Es kann daher nicht gerügt werden, die Auslegung irrevisiblen Rechts seitens des Berufungsgerichts widerspreche den allgemeinen Auslegungsregeln, Erfahrungssätzen oder den Denkgesetzen (BGH NJW 94, 1408, 1409 [BGH 22.02.1994 - VI ZR 309/93]) oder das Berufungsgericht habe bei der Anwendung irrevisiblen Rechts die Beweislastverteilung verkannt oder Verfahrensvorschriften verletzt (MüKoZPO/Krüger § 560 Rz 5; Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 3). Der Ausschluss von Revisionsrügen gilt auch, soweit vAw zu prüfende Prozessvoraussetzungen nach irrevisiblem Recht zu beurteilen sind (BGHZ 21, 214, 217; Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 3; MüKoZPO/Krüger § 560 Rz 5).
C. Nachprüfung nicht revisiblen Rechts.
Rn 3
Nicht revisibles Recht – nach der Neufassung des § 545 lediglich noch solches Recht, das keine Rechtsnormqualität hat (zur Rechtsnormqualität vgl § 545 Rn 1) sowie ausländisches Recht (§ 545 Rn 6) – ist der revisionsgerichtlichen Prüfung allerdings nicht vollständig entzogen. So kann das Revisionsgericht nachprüfen, ob das Berufungsgericht bei der Ermittlung oder bei der Anwendung irrevisiblen Rechts revisible Vorschriften verletzt hat und ob das angewendete irrevisible Recht höherrangigem revisiblem Recht entspricht (Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 4) sowie ob statt des vom Berufungsgericht angewendeten irrevisiblen Rechts revisibles Recht anzuwenden ist oder umgekehrt (BGH NJW 95, 2097; Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 4).
Rn 4
Mit der Verfahrensrüge nach § 551 III 1 Nr 2 lit b kann geltend gemacht werden, dass der Tatrichter seine prozessrechtliche Verpflichtung zur Ermittlung des ausländischen Rechts (§ 293) verletzt hat (BGH NJW-RR 09, 311 Tz 10; NJW 03, 2685, 2686; BGHZ 118, 151, 162; Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 4; MüKoZPO/Krüger § 560 Rz 4). Gerügt werden kann bspw, der Tatrichter habe seiner Entscheidung statt des maßgebenden Rechts eines bestimmten Staates das Recht eines anderen Staates zugrunde gelegt (BGHZ 118, 151, 163 mwN), das Berufungsurteil gebe nicht zu erkennen, ob und auf welche Weise das Gericht zu klären versucht habe, ob ein von ihm angewendeter Rechtssatz in dem ausländischen Recht bestehe bzw dass es das in Frage kommende ausländische Recht, wie es in Rspr und Rechtslehre Ausdruck und in der Praxis Anwendung findet, nicht vollständig oder unzulänglich ermittelt habe (BGH NJW 14, 1244 Tz 14 f; NJW 92, 3106, 3107; BGHZ 118, 151, 163 jmwN). Der Tatrichter ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Rspr und Lehre entwickelt hat und muss dabei die ihm zugänglichen Rechtsquellen ausschöpfen (BGH v 9.2.17 – V ZB 166/15 – juris Tz 7). Die Rüge hat indes keinen Erfolg, wenn mit ihr in Wirklichkeit die Nachprüfung irrevisiblen ausländischen Rechts bezweckt wird oder wenn die auf ausländisches Recht gestützte Parteibehauptung in der Berufungsinstanz objektiv nicht geeignet war, eine Pflicht des Tatrichters zur Ermittlung des ausländischen Rechts auszulösen (BGHZ 118, 312, 319; BGHZ 118, 151, 163; Musielak/Voit/Ball § 560 Rz 4). Haben die Parteien unschwer Zugang zu den Erkenntnisquellen der ausländischen Rechtsordnung, müssen sie das ausländische Recht regelmäßig konkret darstellen (BGHZ 118, 312, 319f). Je detaillierter und kontroverser die Parteien eine bestimmte ausländische Rechtspraxis vortragen, desto umfassendere Ausfü...