Rn 10

Bedarf es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen mehr, um eine instanzbeendende Entscheidung zu treffen, ist die Sache zur ›Endentscheidung reif‹ mit der Konsequenz, dass der BGH in der Sache selbst zu entscheiden hat (Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 21). In diesem Falle besteht eine gesetzliche Pflicht des BGH zur eigenen Sachentscheidung (BGHZ 122, 308, 316).

 

Rn 11

Festgestellt ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt, wenn er auf der Grundlage des Berufungsurteils unstr, offenkundig, gerichtsbekannt, zugestanden oder bewiesen ist und nicht in Bezug auf die Tatsachenfeststellungen berechtigte Verfahrensrügen erhoben sind (§ 559 II, § 551 III 1 Nr 2 lit b; Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 20). Bei Fehlen oder rechtsfehlerhafter Vornahme einer dem Tatrichter vorbehaltenen Auslegung, kann das Revisionsgericht, wenn weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, die gebotene Auslegung selbst vornehmen (§ 546 Rn 4) und so die ergänzende Feststellung des Sachverhalts bewirken (BGH NJW 91, 1180, 1181; Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 20). Entsprechendes gilt für die Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln (Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 20; § 546 Rn 15).

 

Rn 12

§ 563 III greift allerdings nicht ein, wenn das Sachverhältnis bisher nur vom erstinstanzlichen Gericht festgestellt worden ist und das Berufungsgericht noch nicht gem § 529 I Nr 1 geprüft hat, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts begründen. Diese Prüfung kann nicht vom Revisionsgericht vorgenommen werden, weil die Ermittlung oder Verneinung konkreter Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ihrerseits eine neue Tatsachenfeststellung darstellen kann und damit in die Zuständigkeit des Tatrichters fällt (BGH NJW 08, 576 [BGH 30.10.2007 - X ZR 101/06] Tz 27).

 

Rn 13

Im Patentrecht kann das Revisionsgericht die Auslegung eines Schutzanspruchs zwar grds selbst vornehmen, weil die Auslegung Rechtserkenntnis und demgemäß nicht dem Tatrichter vorbehalten ist (BGHZ 160, 204, 216 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGHZ 142, 7, 15 – Räumschild). Hat der Tatrichter jedoch keine eigene Auslegung des Patentanspruchs oder Schutzanspruchs vorgenommen, fehlt dem Revisionsgericht regelmäßig die Grundlage für die Prüfung, ob sämtliche notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Auslegung rechtsfehlerfrei festgestellt sind und ob bei erneuter Prüfung durch das Berufungsgericht ergänzende tatrichterliche Feststellungen zu erwarten sind. Den Parteien ist in einem solchen Fall die Möglichkeit verschlossen, die für die Anspruchsauslegung relevanten tatsächlichen Annahmen als verfahrensfehlerhaft getroffen oder unvollständig zu rügen. Die fehlende Auslegung des Anspruchs durch das Berufungsgericht erfordert daher idR die Zurückverweisung der Sache (BGHZ 172, 298 Tz 38f).

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