Rn 2
Die sofortige Beschwerde ist binnen einer nicht verlängerbaren Notfrist (§ 224 I, II) von zwei Wochen einzulegen. Der Zusatz ›soweit keine andere Frist bestimmt ist‹ bezieht sich auf die von der Zweiwochenfrist abweichende, auf einen Monat verlängerte Frist für sofortige Beschwerden im Prozesskostenhilfeverfahren (§ 127 II 3, III 3; vgl BTDrs 14/4722, 111). Die Frist beginnt grds mit der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung (Abs 1 S 2). Das gilt auch für Beschlüsse, die aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen und daher verkündet werden müssen (§ 329 I; vgl etwa § 336 I, 952 IV). Beschlüsse, welche der sofortigen Beschwerde unterliegen, sind zuzustellen (§ 329 III). Auch in S 2 bezieht sich der Hinweis auf eine abweichende gesetzliche Regelung auf das PKH-Verfahren (BTDrs 14/4722, 112). Nach § 127 III kann der Bezirksrevisor sofortige Beschwerde gegen die Bewilligung von PKH ohne Raten oder Zahlungen aus dem Vermögen einlegen. Der Staatskasse werden die Bewilligungsbeschlüsse jedoch nicht zugestellt. Die Notfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beginnt daher mit der Bekanntgabe des Beschlusses (§ 127 III 3). ›Zustellung‹ ist nach der Legaldefinition des § 166 I die Bekanntgabe eines Schriftstücks in der in den §§ 166–190 bestimmten Form. Gegebenenfalls sind spezialgesetzliche Sondervorschriften zu beachten (vgl zB § 8 I 3 InsO ggü § 184 II 1). Bei mehrfacher Zustellung beginnt die Frist mit der ersten wirksamen Zustellung (vgl BGH v 12.5.16, IX ZA 33/15, Rz 5 zur Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten und die Partei selbst). Die Beschwerdefrist beginnt auch dann zu laufen, wenn eine etwa erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung (§ 232) fehlt (BGHZ 150, 390, 397 = NJW 02, 2171; BGH WM 09, 1056 Rz 11; WM 16, 803 Rz 11f). Ist der Belehrungsmangel für das Versäumen der Rechtsmittelfrist ursächlich geworden, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff) in Betracht. Das fehlende Verschulden des Rechtsmittelführers wird vermutet (§ 233 S 2). Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung hindert ebenfalls nicht Beginn und Lauf der Frist (BGH NJW-RR 04, 408 [BGH 16.10.2003 - IX ZB 36/03]; NJW-RR 10, 291 [BGH 13.01.2010 - XII ZB 248/09] Rz 8; NJW 12, 2445 Rz 5). Sie rechtfertigt eine Wiedereinsetzung, wenn sie einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum der Partei hervorruft und die Fristversäumung hierauf beruht. Grundsätzlich darf auch ein Anwalt auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen. War die Rechtsbehelfsbelehrung jedoch offenkundig falsch, so dass sie – ausgehend von den bei einem Anwalt vorauszusetzenden Grundkenntnissen des Verfahrensrechts und des Rechtsmittelsystems – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte, kann es bei anwaltlicher Vertretung oder bei Behörden, die ein gerichtliches Verfahren in einem ihnen zugewiesenen Aufgabenkreis führen, an der erforderlichen Kausalität zwischen dem Fehler und der Fristversäumung fehlen (BGH MDR 12, 928 [BGH 13.06.2012 - XII ZB 592/11]; NJW 13, 1308 Rz 7 f zu § 17 II FamFG; MDR 14, 559 Rz 19 f; MDR 16, 1042 Rz 23; FamRZ 18, 699 Rz 7). Die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und für die Nachholung der versäumten Rechtshandlung beginnt, sobald die Partei die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkennt oder hätte erkennen müssen (BGH NJW 12, 2445 [BGH 03.05.2012 - V ZB 54/11] Rz 10). Die Frist läuft auch dann, wenn der angefochtene Beschluss verfahrensfehlerhaft nicht mit Gründen versehen worden ist; denn die Begründung kann im Abhilfeverfahren (§ 572 I 1) nachgeholt werden (Ddorf MDR 13, 916 Rz 22).
Rn 3
Bei unterbliebener oder fehlerhafter Zustellung beginnt die Zweiwochenfrist mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Diese Bestimmung ist § 517 nachgebildet. Wird der Beschl weder wirksam zugestellt noch verkündet, soll die Frist dann, wenn der Beschwerdeführer Kenntnis von ihm erhalten hat, fünf Monate nach dem Erlass der Entscheidung beginnen (vgl Kobl NJW-RR 03, 1079, 1080 [OLG Koblenz 03.01.2003 - 3 W 775/02]). ›Erlassen‹ ist ein nicht verkündeter Beschl, wenn er mit dem Willen des Gerichts aus dem inneren Geschäftsbetrieb herausgetreten ist (BGH VersR 15, 767 [BGH 28.04.2015 - VI ZR 206/14] Rz 17), dann also, wenn er vollständig unterschrieben auf die Geschäftsstelle gelangt ist und diese mit der Zweckbestimmung wieder verlassen hat, den Parteien bekannt gegeben zu werden (BGH NJW-RR 04, 1575, 1576 [BGH 01.04.2004 - IX ZR 117/03]; NJW 17, 3239 [BGH 29.08.2017 - XI ZR 318/16] Rz 3; 11.2.20 – II ZR 130/19, Rz 2; vgl auch die abweichende Regelung in § 38 III 3 FamFG: Erlass mit Übergabe an die Geschäftsstelle; dazu BGH MDR 15, 1091 [BGH 15.07.2015 - XII ZB 525/14] Rz 8). Ob die fünfmonatige Anfechtungsfrist auch dann, wenn der Beschwerdeführer keine Kenntnis von der nicht verkündeten Entscheidung erhalten hat, mit deren Erlass beginnt, ist str und vom BGH bisher nicht entschieden worden ...