Rn 7
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Sache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BTDrs 14/4722, 67, 104; BVerfG FamRZ 09, 192 f; BGHZ 151, 221, 223 = NJW 02, 3029 ff; BGHZ 154, 288 ff = NJW 03, 1943, 1944; BGH WM 15, 347 Rz 8; FamRZ 18, 1766 Rz 3; WM 19, 2273 Rz 10; vgl auch Nassall NJW 18, 3561, 3562f). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, deren Beantwortung zweifelhaft ist, die von verschiedenen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder zu der in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, ohne dass eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (BGH MDR 18, 1393 [BGH 26.09.2018 - XII ZA 10/18] Rz 3; 19, 54 Rz 6; 5.9.19 – III ZR 218/18, Rz 9; NZI 20, 953 [BGH 01.10.2020 - IX ZA 3/20] Rz 8). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache hingegen dann nicht zu, wenn die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, in der Rspr der Oberlandesgerichte jedoch einhellig beantwortet wird und die hierzu in der Literatur vertretenen abweichenden Meinungen vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (BGH WM 10, 936 [BGH 08.02.2010 - II ZR 54/09] Rz 3; WM 15, 347 [OLG Koblenz 23.12.2014 - 3 U 1544/13] Rz 8f). Nicht jede Gegenstimme begründet einen Klärungsbedarf (BVerfG NJW-RR 09, 1026; BGH NJW-RR 16, 1529 [BGH 19.07.2016 - II ZB 3/16] Rz 16; MDR 19, 808 Rz 4; 5.9.19 – III ZR 218/18, Rz 9). Eine Rechtsfrage, die nach Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde in einem anderen Rechtsbeschwerdeverfahren höchstrichterlich entschieden worden ist, ist ebenfalls nicht mehr klärungsbedürftig, so dass der Sache im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt. Zu prüfen ist nunmehr allerdings, ob die Beschwerdeentscheidung mit dem neu gefundenen Rechtssatz übereinstimmt oder von ihm abweicht. Weicht sie ab, ist also nachträglich eine Divergenz (Abs 2 Nr 2 Fall 2) eingetreten, ist die Rechtsbeschwerde nunmehr aus diesem Grunde zulässig, auch wenn ihre Begründung (§ 575 III Nr 2) noch von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ausging. Die Sicherung einer einheitlichen Rspr erfordert, dass die von der Rspr des BGH abweichende Beschwerdeentscheidung nicht rechtskräftig werden darf (BGH ZVI 05, 99, 100; MDR 06, 1305). Liegt eine höchstrichterliche Entscheidung vor, bewirkt nicht jede kritische oder ablehnende Stellungnahme zu dieser Entscheidung eine (erneute) grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, in der sich die Rechtsfrage stellt (BGH WM 15, 947 Rz 8). Weiterer Klärungsbedarf besteht vielmehr nur dann, wenn nicht nur einzelne Instanzgerichte oder Literaturstimmen der Auffassung des BGH widersprechen oder wenn neue Argumente vorgebracht werden, welche den BGH dazu veranlassen können, seine Rechtsauffassung zu überprüfen (BVerfG FamRZ 09, 192, 193; BGH NJW 14, 456 Rz 9; BGH NJW-RR 18, 1460 Rz 6). Die Rechtsbeschwerde dient dann dazu, der Gefahr einer Rechtserstarrung entgegenzuwirken (BTDrs 14/4722, 104).
Rn 8
Ein Klärungsbedarf und damit eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache kommt idR nicht in Betracht, wenn die streitige Rechtsfrage auslaufendes Recht betrifft, also wegen einer Rechtsänderung für die Zukunft nicht mehr von Bedeutung ist (BVerfG FamRZ 09, 192 f; BGH NJW 03, 1943, 1944; NJW-RR 06, 1719 Rz 5). Gleiches gilt für unverändert fortgeltendes Recht, welches wegen der Zeitgebundenheit der geregelten Sachverhalte nach und nach seinen Anwendungsbereich verliert (BGH NJW-RR 08, 220 Rz 6 zum BEG). Die Feststellungslast dafür, dass die umstrittene Rechtsfrage gleichwohl noch für eine erhebliche Anzahl offener Verfahren von Bedeutung ist und damit grundsätzlichen Charakter trägt, trifft den Rechtsmittelführer (BGH NJW-RR 08, 220 [BGH 19.04.2007 - IX ZB 269/05] Rz 8). Dieser muss in seiner Rechtsbeschwerdebegründung darlegen, dass eine höchstrichterliche Entscheidung gleichwohl für die Zukunft richtungsweisend sein kann, weil entweder noch über eine erhebliche Anzahl von Fällen nach altem Recht zu entscheiden oder die Frage für das neue Recht weiterhin von Bedeutung ist (BGH NJW 03, 1944, 1945 [BGH 27.03.2003 - V ZR 291/02]).
Rn 9
Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde kann nicht damit begründet werden, dass die Frage ihrer Statthaftigkeit von grundsätzlicher Bedeutung sei. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde muss das Rechtsbeschwerdegericht in jedem Fall prüfen. Nur wenn sie bejaht wird, ist die Prüfung der Zulässigkeitsgründe des § 574 II eröffnet (BGHZ 151, 43 f = NJW 02, 2473). Ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft, ist sie auch nicht zulässig, und zwar unabhängig vom Vorliegen der Zulässigkeitsgründe des Abs 2. Gleiches gilt hinsichtlich der Beschwerdebefugnis.