Rn 13

Verfahrensgrundrechte, deren Verletzung die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde begründen, sind insb das Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG) und das Grundrecht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art 3 I GG; vgl BGHZ 154, 288, 295 ff = NJW 03, 1943, 1945), aber auch das Grundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfG WM 13, 15 f; BGH NJW 09, 1610 Rz 5; ZIP 10, 148, 149 Rz 3; NJW-RR 10, 1096 Rz 4; NJW-RR 11, 488 Rz 5; VersR 11, 816 Rz 4; NJW-RR 12, 82 Rz 8; VersR 12, 1009 Rz 6; NJW-RR 12, 1206 Rz 5; NJW 12, 2443 Rz 4; NJW-RR 13, 1034 Rz 5; FamRZ 13, 1385 Rz 8; NJW 14, 1879; NJW 15, 787 Rz 7; NJW-RR 17, 1145 Rz 5). Die Rechtsbeschwerde dient so auch dazu, eine Verfassungsbeschwerde entbehrlich zu machen. Auf die Schwere oder Evidenz des Fehlers kommt es grds nicht an. Allerdings kann eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zum Recht auch in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer liegen, die gem §§ 2, 3 im Ermessen des Gerichts steht; nur ein Ermessensfehlgebrauch führt dann zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (BGH NJW 15, 787 [BGH 13.01.2015 - VI ZB 29/14] Rz 7; MDR 15, 1172 [BGH 09.07.2015 - V ZB 198/14] Rz 6; NJW 16, 3380 [BGH 16.08.2016 - VI ZB 17/16] Rz 7). Zudem ist der allgemeine Subsidiaritätsgrundsatz zu beachten, der verlangt, dass ein Beteiligter alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BGH MDR 15, 1197 Rz 7; NJW-RR 16, 699 Rz 4; ZInsO 19, 1026 Rz 4; VersR 20, 573; WM 20, 476 Rz 15). So ist eine Rechtsbeschwerde dann nicht wegen einer Verfahrensgrundrechtsverletzung zuzulassen, wenn es der Beschwerdeführer versäumt hat, den Verstoß iRe vorinstanzlichen Rechtsmittels zu rügen (BGH WM 10, 1722 [BGH 06.05.2010 - IX ZB 225/09] Rz 7 f; MDR 15, 1197 Rz 7f). Ein Gehörsverstoß führt nicht zur Zulassung, wenn der Beschwerdeführer ihn im Rahmen der Stellungnahme nach § 522 II 2 nicht gerügt hat (BGH NJW-RR 16, 699 [BGH 17.03.2016 - IX ZR 211/14] Rz 5). Er kann zudem im Rechtsmittelverfahren geheilt werden. Wird dem Beschwerdeführer nachträglich – im Abhilfe- oder im Beschwerdeverfahren – rechtliches Gehör gewährt, beruht die Beschwerdeentscheidung nicht auf der Versagung rechtlichen Gehörs (BGH WM 09, 1662 [BGH 09.07.2009 - IX ZB 35/09] Rz 11; WM 11, 663 [BGH 17.03.2011 - IX ZB 192/10] Rz 10). Die Gehörsrüge ist nicht geeignet, die Bindungswirkung des Tatbestandes auszuräumen. Stellt der anzufechtende Beschl eine Tatsache als unstr dar, obwohl die Partei sie bestritten hatte, muss dies vorrangig mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag (§ 320) angegriffen werden (BGH WM 10, 976 [BGH 15.04.2010 - IX ZB 175/09] Rz 7; zu Recht krit Vollkommer MDR 10, 1161). Andere Grundrechtsbeeinträchtigungen, etwa eine mögliche Gefährdung des Grundrechts des Rechtsbeschwerdeführers auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art 2 II 1 GG), erfüllen für sich genommen nicht die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes (BGH NJW-RR 11, 421 [BGH 07.10.2010 - V ZB 82/10] Rz 12 ff; Schmidt-Räntsch ZfLR 11, 856). Ein Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art 101 I 2 GG) begründet nur im Fall der willkürlichen Zuständigkeitsüberschreitung des originären Einzelrichters die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde (BGH NJW-RR 16, 388 [BGH 25.11.2015 - XII ZB 105/13] Rz 9; MDR 16, 607 Rz 6).

 

Rn 14

Eine Entscheidung verstößt nicht schon dann gegen das Willkürverbot, wenn sie auf einer fragwürdigen oder sogar fehlerhaften Rechtsanwendung beruht; selbst ein offensichtlicher Rechtsfehler genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; die Rechtslage muss mithin in krasser Weise verkannt worden sein (BVerfG WM 08, 721; BGHZ 154, 288, 299 f = NJW 03, 1943, 1947; BGH NJW 00, 590; BGH 4.10.11, IX ZB 124/11, I Rz 6; BGH GRUR 17, 416 Rz 7). Ähnlich hoch sind die Anforderungen an eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Art 103 I GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grds ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Damit sich ein Verstoß gegen Art 103 I GG feststellen lässt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsf...

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