Rn 5

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist. In der ZPO sind das die Vorschriften des § 522 I 4 (Verwerfung der Berufung durch Beschl) und des § 1065 I 1 (Entscheidungen des OLG über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens, die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts oder die Aufhebung oder Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs), ggf auch des § 238 II (Ablehnung der Wiedereinsetzung, wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache die Rechtsbeschwerde stattfindet). An Verweisungen aus anderen Gesetzen ist insb § 15 I AVAG (Rechtsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung von Titeln aus einem anderen Staat) zu nennen. Die Beschwerde an den obersten Gerichtshof des Bundes nach § 17a IV 4 GVG wird in Zivilsachen seit dem ZPO-Reformgesetz ebenfalls als Rechtsbeschwerde aufgefasst (BGHZ 152, 213, 214 f = MDR 03, 285; BGH NJW 03, 433, 434; WM 14, 115 Rz 6); allerdings muss sie – ebenfalls kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 17a IV 4 GVG) – in dem angefochtenen Beschl zugelassen worden sein. Entgegen dem Wortlaut des § 17a IV 4 GVG können nicht nur ›obere Landesgerichte‹, sondern auch die Landgerichte als Berufungsgerichte die Rechtsbeschwerde zulassen (BGHZ 155, 365 ff = NJW 03, 2917; BGH BGHRp 08, 712 Rz 5).

1. Zulässigkeitsvoraussetzungen (Abs 2).

 

Rn 6

Die von Gesetzes wegen statthafte Beschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (Abs 2). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat das Rechtsbeschwerdegericht zu prüfen. Das gilt auch, wenn das Beschwerdegericht fälschlich einen Fall des Abs 1 S 1 Nr 2 angenommen und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die Zulassung ist gegenstandslos und ersetzt die erforderliche Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht. Auch die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung verwerfenden Beschluss (§ 522 I 4) ist nur unter den Voraussetzungen des Abs 2 zulässig (BGHZ 155, 21, 22 = NJW 03, 2172; BGHZ 159, 135, 137 = WM 04, 1407; BGH WM 10, 567 Rz 6; NJW 11, 2051 Rz 4; VersR 12, 773 Rz 5; NJW-RR 12, 1103 Rz 7); die Wertgrenze des § 544 II Nr 1 gilt nicht (BGH MDR 03, 46 f; FamRZ 07, 206 Rz 4). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen müssen noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde gegeben sein (BGH NJW 03, 3781, 3782; WM 10, 848 Rz 7 zu § 543 II; ZInsO 11, 1128 Rz 1). Das gilt auch für den Zulässigkeitsgrund der grundsätzlichen Bedeutung, der durch eine Beantwortung der Rechtsfrage in einem anderen Rechtsbeschwerdeverfahren entfallen sein kann; in einem solchen Fall ist allerdings (was die Entscheidung BGH NJW 03, 3781 nicht berücksichtigt) der Zulässigkeitsgrund der Divergenz zu prüfen. Hat die Rechtsbeschwerde nach Klärung der Rechtsfrage Aussicht auf Erfolg, ist sie weiterhin zulässig (BGH NJW 10, 2812 [BGH 29.06.2010 - X ZR 51/09] Rz 11 zu § 543 II; BVerfG WM 13, 15f [BVerfG 28.06.2012 - 1 BvR 2952/08]). Beim Zulässigkeitsgrund der Divergenz ist wiederum zu unterscheiden: Maßgeblich ist im Grundsatz auch hier der Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde. Bewusst abweichen kann das Beschwerdegericht allerdings nur von einer bereits ergangenen und ihm zugänglichen Vergleichsentscheidung. Es gibt veröffentlichte BGH-Entscheidungen, nach denen ein Rechtsmittel unzulässig (oder im Falle einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zuzulassen) ist, wenn das Gericht eine bereits ergangene, aber noch nicht veröffentlichte Rspr in nicht vorwerfbarer Weise noch nicht beachtet; es fehle insoweit die Wiederholungsgefahr (BGH ZIP 03, 1082, 1083; NJW 03, 3781, 3782; ZIP 07, 1780). Das BVerfG hat diese Rspr aus verfassungsrechtlicher Sicht gebilligt (BVerfG NJW 08, 2493). Aus zivilprozessualer Sicht liegt näher, weiterhin eine Divergenz anzunehmen. Auf ein Verschulden des Instanzgerichts kommt es auch in den ›normalen‹ Fällen einer Divergenz nicht an. Außerdem gebietet es die Sicherung einer einheitlichen Rspr, dass die der neuen Rspr widersprechende Beschwerdeentscheidung nicht rechtskräftig wird (BGH ZVI 05, 99, 100; NZI 07, 40 Rz 6). Lag im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels eine zur Zulässigkeit führende Abweichung vor, ist diese Abweichung dann aber durch eine Änderung der höchstrichterlichen Rspr entfallen, muss das Rechtsmittel von Verfassungs wegen weiterhin als zulässig behandelt werden (vgl BVerfG WM 05, 2014, 2015 [BVerfG 25.07.2005 - 1 BvR 2419/03] zur Klärung einer Grundsatzfrage nach Einlegung des Rechtsmittels).

Die angefochtene Entscheidung muss auf den gem Abs 2 aufgeworfenen Rechtsfragen beruhen. Ist dies nicht der Fall, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig (vgl BGHZ 153, 254, 256 = NJW 03, 1125). Ist die angefochtene Entscheidung mehrfach begründet worden, ist eine kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn hinsichtlich aller sie tragenden Gründe...

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