Gesetzestext
(1) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt.
(2) Die Rechtsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.
(3) Die §§ 546, 547, 556 und 560 gelten entsprechend.
A. Bedeutung der Norm.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Gründe, auf welche die Rechtsbeschwerde gestützt werden kann. Sie wiederholt Regelungen aus dem Revisionsrecht oder nimmt auf diese Bezug. Abs 1 entspricht fast wörtlich § 545 I in der bis zum In-Kraft-Treten der FGG-Reform, also bis zum 1.9.09 noch geltenden Fassung. Mit der Rechtsbeschwerde kann nur geltend gemacht werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung formellen oder materiellen Rechts beruht (BTDrs 14/4722, 118). Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder richtig angewendet worden ist (Abs 3 iVm § 546). Ebenso wie die Revision dient die Rechtsbeschwerde also der Rechtskontrolle. Das Rechtsbeschwerdegericht ist bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung an die Feststellungen des Beschwerdegerichts gebunden. Das Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweise ist damit ausgeschlossen (BTDrs 14/4722, 118). Die Rechtsbeschwerde kann nur auf Rechtsfehler der Entscheidung des Beschwerdegerichts gestützt werden, nicht auf Fehler der Ausgangsentscheidung (BGH NJW-RR 11, 1000 [BGH 17.02.2011 - V ZB 205/10] Rz 6).
B. Verletzung revisiblen Rechts (Abs 1).
Rn 2
Nur die Verletzung von Bundesrecht oder von solchem Landesrecht, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines OLG hinaus erstreckt, kann der Rechtsbeschwerde zum Erfolg verhelfen. Der Begriff ›Oberlandesgericht‹ ist – wie in § 545 I – wörtlich zu verstehen (vgl BTDrs 14/4722, 118). Die verletzte Rechtsvorschrift muss in mehr als einem OLG-Bezirk gelten. Es reicht nicht aus, dass mehr als ein Berufungsgericht mit ihr befasst sein könnte, dass sie also in mehr als einem Landgerichtsbezirk gilt (BGH NJW-RR 09, 311, 312 [BGH 21.11.2008 - V ZR 35/08] Rz 7 ff zu § 545 I). Dass Landesrecht nur eingeschränkt überprüfbar ist, erklärt sich aus der Funktion der Rechtsbeschwerde, die ausdrücklich zur Vereinheitlichung der Rspr der Oberlandesgerichte eingeführt worden ist (BTDrs 14/4722, 69). Ein Bedürfnis nach einheitlicher Rspr besteht bei Vorschriften, deren Geltungsbereich den Bezirk eines OLG nicht überschreitet, normalerweise in geringerem Maße als bei den in der gesamten Bundesrepublik oder in größeren Teilen von ihr geltenden Normen. Eine Ausweitung der Revisibilität von Landesrecht war mit der ZPO-Reform nicht beabsichtigt. Hierzu hat sich der Gesetzgeber erst iRd am 1.9.09 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschlossen (Art 29 Nr 14a FGG-RG; dazu BTDrs 16/9733, 229, 301f). Eine entsprechende Änderung auch des § 576 I scheint nicht vorgesehen zu sein (s.u. Rn 4).
C. Keine Überprüfung der Zuständigkeit des erstinstanzlich tätigen Gerichts (Abs 2).
Rn 3
Abs 2 entspricht § 545 II. Er schließt an § 571 II 1 an. Schon die sofortige Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Gleiches gilt folgerichtig auch für die Rechtsbeschwerde. Die genannten Vorschriften dienen der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Rechtsmittelgerichte und sollen vermeiden, dass die vom erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit wegen dessen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (BTDrs 14/4722, 118, 113; BGH ZVI 18, 278 Rz 6). § 576 II stellt weitergehend klar, dass auch die zu Unrecht erfolgte Verneinung der Zuständigkeit durch das erstinstanzliche Gericht keinen Rechtsbeschwerdegrund darstellt. Auf diese Weise wird im Interesse der Prozessökonomie und -beschleunigung jede Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges ausgeschlossen (BTDrs 14/4722, 118). Eine allein auf die Rüge fehlender Zuständigkeit des Erstgerichts gegründete Rechtsbeschwerde ist folglich unzulässig (BGH NZI 05, 184; ZVI 18, 278 Rz 2). Eine Überprüfung wird auch nicht dadurch ermöglicht, dass die Rechtsbeschwerde gerade zur Klärung einer Rechtsfrage im Zusammenhang mit der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts zugelassen wird; die Rechtsbeschwerde ist hier unbegründet (BGH NJW 09, 1974 Rz 4). Das gilt auch in Fällen, in denen Streit darüber besteht, ob sich die örtliche Zuständigkeit aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergibt (BGH NJW 09, 1974 Rz 3). Ob in Fällen von Willkür oder Gehörsverletzung anderes gilt, hat der BGH bisher offengelassen (BGH WM 15, 819 Rz 19; ZVI 18, 278 Rz 3). Nicht nur die örtliche, sondern auch die funktionelle Zuständigkeit ist der Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen (BGH FamRZ 03, 1273; WM 07, 1562; ZIP 07, 2330 Rz 4; JurBüro 08, 159 Rz 4; WM 11, 1378 Rz 5). Es schadet also nicht, wenn statt des funktionell zuständigen Insolvenzgerichts das Vollstreckungsgericht entschieden hat (BGH Z...