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Neben Statthaftigkeit, Form und Frist hat das Rechtsbeschwerdegericht auch alle übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde zu prüfen. Die Rechtsbeschwerde setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer beschwert ist. Die klagende Partei ist dann beschwert, wenn ihrem Begehren nicht voll entsprochen worden ist (formelle Beschwer; vgl BGH WM 07, 553 Rz 6; WM 14, 1584 Rz 7). An der formellen Beschwer kann es fehlen, wenn antragsgemäß entschieden (BGH WM 07, 553) oder gegen eine nachteilige Entscheidung keine Beschwerde erhoben wurde (BGH WM 14, 1584). Für einen Beklagten liegt die Beschwer, die ihn zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt, in dem Betrag oder Wert seiner Verurteilung (materielle Beschwer; vgl BGH WM 07, 553 [BGH 18.01.2007 - IX ZB 170/06] Rz 6; WM 14, 1584 [BGH 05.06.2014 - V ZB 16/14] Rz 7). Die Beschwer muss grds noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegeben sein (BGH WM 18, 331 [BGH 14.09.2017 - I ZB 9/17] Rz 8). Nur in besonders gelagerten Einzelfällen, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, kann trotz der Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ein Bedürfnis nach einer gerichtlichen Entscheidung fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage besonders geschützt ist (BVerfGE 104, 220, 232 f = NJW 02, 2456 [BVerfG 05.12.2001 - 2 BvR 527/99]; vgl auch § 62 FamFG und dazu BTDrs 16/6308, 205). Ob die Rechtsbeschwerde als solche für erledigt erklären kann, ist noch nicht abschließend geklärt (offengelassen etwa BGHZ 127, 74, 82 = NJW 1994, 1388, 1391; BGH MDR 05, 595; NJW-RR 09, 855 Rz 4). Voraussetzung einer wirksamen Erledigungserklärung wäre jedenfalls die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde (vgl BGH WM 14, 2011 [BGH 17.09.2014 - IX ZB 26/14] Rz 24). Da im Falle einer von Gesetzes wegen statthaften Rechtsbeschwerde die Zulässigkeitsvoraussetzungen noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vorliegen müssen, nach einer Erledigungserklärung eine Entscheidung über Grundsatzfragen des materiellen Rechts aber nicht mehr in Betracht kommt, ist die Erledigung einer solchen Rechtsbeschwerde kaum vorstellbar. Anderes gilt für die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde nach § 574 I 1 Nr 2. Der BGH lässt eine Erledigung des gesamten Rechtsmittelverfahrens jedenfalls dann zu, wenn übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien vorliegen und nur die Erledigung des Rechtsmittels, nicht aber dessen Rücknahme oder die Erledigung der Hauptsache eine angemessene Kostenentscheidung ermöglicht (vgl BGHZ 170, 378, 381 f Rz 8 = NJW 07, 2993 f zur Erledigung besonderer Rechtsmittel im Zwangsversteigerungsverfahren; BGH NJW 09, 234 [BGH 17.09.2008 - IV ZB 17/08] Rz 4 zur sofortigen Beschwerde und Rechtsbeschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren; BGH NJW-RR 09, 855 [BGH 20.01.2009 - VIII ZB 47/08] Rz 4 betr einen Antrag auf öffentliche Zustellung; hier wurde sogar eine einseitige Erledigungserklärung zugelassen, weil das erledigende Ereignis außer Streit stand). Eine Mindestbeschwer wird – anders als im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, vgl § 26 Nr 8 EGZPO – im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vorausgesetzt. Die Vorschrift des § 567 II, auf die nicht verwiesen wird, gilt ebenfalls nicht (BGH NJW-RR 05, 939). Die Prozesshandlungsvoraussetzungen (Partei- und Prozessfähigkeit, Postulationsfähigkeit des Verfahrensbevollmächtigten) sind zu prüfen, wenn der Fall Anlass dazu bietet.

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