Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich
Gesetzestext
Mit den Klagen können Anfechtungsgründe, durch die eine dem angefochtenen Urteil vorausgegangene Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betroffen wird, geltend gemacht werden, sofern das angefochtene Urteil auf dieser Entscheidung beruht.
A. Normzweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
Das Wiederaufnahmeverfahren richtet sich nur gegen rechtskräftige Endurteile (s § 578 Rn 3–5). Vorausgegangene Entscheidungen derselben oder einer unteren Instanz sind also dem Wiederaufnahmeverfahren nicht direkt zugänglich, auch wenn sie ansonsten mit Rechtsmitteln selbstständig anfechtbar und rechtskraftfähig sind (anders in der Revision, § 557 II). § 583 führt aber dazu, dass die vorausgegangenen Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren überprüft und aufgehoben werden können. Es genügt für die Wiederaufnahmeklage gegen das rechtskräftige Endurteil, dass der Restitutions- oder Nichtigkeitsgrund eine vorausgegangene Entscheidung betraf, wenn das rechtskräftige Endurteil auf dieser beruht.
B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.
I. Anfechtungsgründe, die eine vorausgegangene Entscheidung derselben oder einer unteren Instanz betreffen.
Rn 2
Mit Anfechtungsgrund sind die in §§ 579 und 580 aufgezählten Nichtigkeits- bzw Restitutionsgründe gemeint. Als vorausgegangene Entscheidung gelten auch Zwischenurteile, §§ 280, 303, 304, Vorbehaltsurteile, §§ 302, 599, sowie richterliche Entscheidungen in Form von prozessleitenden Verfügungen und Beschlüssen, soweit letztere nicht das Verfahren beenden (s § 578 Rn 4). Teilurteile sind aber (jedes für sich) selbstständig für die Wiederaufnahmeklage eröffnet. Die Entscheidung muss in derselben oder einer unteren Instanz getroffen worden sein. Andernfalls käme es dazu, dass die Wiederaufnahme gegen ein Endurteil unterer Instanz schließlich über ein höhergerichtliches Urt befinden würde. Gegen höherinstanzliche Entscheidungen ist also die Wiederaufnahmeklage unmittelbar eröffnet, selbst wenn sie keine Endurteile sind (s noch Rn 4). Von einem Beruhen des angefochtenen Urteils auf der Vorentscheidung ist auszugehen, wenn es eine der Grundlagen des Urteils bildet, mag auch der Wiederaufnahmegrund selbst sich nicht auf das Endurteil ausgewirkt haben (Zö/Greger § 583 Rz 2). Bei Beweisbeschlüssen ist zu beachten, dass idR das Beweismittel selbst und nicht der Beschl über seine Einholung Entscheidungsgrundlage ist, so dass vielfach die (Mit-)Aufhebung des Beweisbeschlusses ausscheiden wird (BGH ZIP 07, 144, sub III 2).
II. Rechtsfolge.
Rn 3
Kommt es zur Aufhebung des Endurteils durch das Wiederaufnahmeverfahren, werden auch die betroffenen Vorentscheidungen aufgehoben.
C. Hinweise zur Prozesssituation.
Rn 4
Dass sich die Wiederaufnahmeklage nicht selbstständig gegen Vorentscheidungen richtet, verhindert nicht, dass §§ 582 und 579 II eingreifen. Es bleibt bei der Obliegenheit, zuvörderst mit einem Rechtsmittel Wiederaufnahmegründe gegen die Vorentscheidungen geltend zu machen. Falls dies unverschuldet unterlassen wurde, bleibt – wenn gegen eine Vorentscheidung ein Anfechtungsgrund vorliegt – allein die Wiederaufnahmeklage gegen das Endurteil. Die Gefahr der Fristversäumung besteht dabei nicht, denn die Klagefrist des § 586 beginnt erst mit der Rechtskraft des anfechtbaren Urteils. Falls aber ein Rechtsmittel gegen ein Vorbehalts-, Grund- bzw Zwischenurteil eingelegt wurde und das Nachverfahren noch in der unteren Instanz anhängig ist, ist ausnahmsweise die Wiederaufnahmeklage direkt gegen das höherinstanzliche Vorbehalts-, Grund- bzw sonstige Zwischenurteil zuzulassen (vgl § 578 Rn 5); es handelt sich nicht um eine Vorentscheidung derselben oder einer unteren Instanz.