Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich
Gesetzestext
(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.
(2) 1Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. 2Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.
(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.
(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.
A. Normzweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
Das im Wiederaufnahmerecht ausgewogene Verhältnis zwischen Rechtskraft und der Möglichkeit ihrer Beseitigung wegen eines Wiederaufnahmegrundes ist durch § 586 um einen weiteren, nämlich zeitlichen Aspekt ergänzt. Die Wiederaufnahme ist nach Ablauf bestimmter ›doppelter‹ Fristen unzulässig. Diese knüpfen sowohl an das subjektive Kriterium der Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund als auch an den Eintritt der Rechtskraft als Zeitpunkt des objektiven Beginns einer Ausschlussfrist für die Zulässigkeit einer Klage an. Die Parteien haben also zum einen die Folgen zu tragen, sollten sie trotz Kenntnis von dem schwerwiegenden Mangel des Urteils untätig bleiben. Zum anderen soll eine rechtskräftig erledigte Streitigkeit nach Jahren generell nicht noch einmal aufgegriffen werden können. Vornehmlich diese verschuldensunabhängige fünfjährige Ausschlussfrist begegnet rechtspolitischer Kritik (Nachweise bei MüKoZPO/Braun/Heiß § 586 Rz 2, s.a. § 580 Rn 17), die sich aber nicht in gesetzgeberischen Aktivitäten niederschlägt. Auch eine ›teleologische Reduktion der Frist‹ in Ausnahmefällen kommt nicht in Betracht (Schlesw OLGR 06, 220). Besonderheiten gelten für die Frist im Falle der Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung.
B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.
Rn 2
Die Norm gilt sowohl für die Nichtigkeitsklage als auch für die Restitutionsklage. Es handelt sich nach Abs 1 um eine Notfrist iSd § 224, die nicht durch den Richter verlängert werden kann und nicht durch Parteivereinbarung abgekürzt werden kann. Wiedereinsetzung bei schuldhafter Fristversäumung ist iRv § 233 möglich (Zö/Greger § 586 Rz 1). Die Einhaltung der Frist ist vAw zu prüfen. § 586 gilt nicht für die Restitutionsklage wegen Auffinden eines früheren Urteils in derselben Sache (s § 580 Rn 13 aE).
I. Einmonatige Klagefrist ab Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund (Abs 1, Abs 2 S 1).
1. Fristbeginn und Fristende.
Rn 3
Die Frist beginnt mit Kenntnis der Partei vom Wiederaufnahmegrund, frühestens jedoch mit formeller Rechtskraft des Urteils. Wird also vor Rechtskrafteintritt Kenntnis erlangt, lässt dies die Frist nicht beginnen. Es kann aber dann dazu kommen, dass die Klage an § 582 oder § 579 II scheitert. Ein Fristbeginn erst mit Rechtskraft trotz früherer Kenntnis wird deshalb nur relevant werden, wenn ein Rechtsmittel oder eine Nichtzulassungsbeschwerde an sich statthaft und rechtzeitig eingelegt, aber als unzulässig verworfen wurde, so dass erst mit Zustellung dieses Verwerfungsbeschlusses Rechtskraft eintritt (vgl BGHZ 88, 353; 164, 347; NJW 87, 371).
Rn 4
Die Frist läuft – wie die Rechtsmittelfristen nach der ZPO – einen Monat und berechnet sich nach § 222 bzw §§ 187–193 BGB. Der Tag des Fristbeginns wird also nicht mitgerechnet, § 187 I BGB. Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, endet sie erst mit Ablauf des nächsten Werktages, § 222 II. Findet das Wiederaufnahmerecht der ZPO durch Verweis aus einer anderen Verfahrensordnung Anwendung (s § 585 Rn 3), die eine längere Rechtsmittelfrist als die ZPO vorsieht, wird die Monatsfrist durch diese Frist ersetzt (BGH MDR 63, 119, s aber für Abstammungssachen Rn 16).
Rn 5
Die Frist beginnt für jeden Wiederaufnahmegrund mit dessen Kenntnis neu. Bei Erkenntnis eines weiteren Wiederaufnahmegrundes oder dem Fund weiterer Urkunden, die denselben Wiederaufnahmegrund stützen (BGHZ 57, 211), kann dieser bzw können diese deshalb auch noch nachgeschoben werden.
Rn 6
Die Klageerhebung vor einem unzuständigen Gericht wahrt die Frist, sofern eine Verweisung an das zuständige Gericht erfolgt (BGHZ 35, 374; BAGE 102, 242).
2. Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund.
Rn 7
Entscheidend ist die positive sichere Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich der Wiederaufnahmegrund ergibt. Liegt sie vor, nützt fehlendes Verständnis der rechtlichen Einordnung der Tatsachen als Wiederaufnahmegrund nicht (BGH NJW 93, 1596 [BGH 30.03.1993 - X ZR 51/92]; 95, 332, 333 [BGH 22.11.1994 - X ZR 51/92]; BSG v 9.9.10 – B 11 AL 4/10 C Rz 7 – nv). Für § 580 Nr 7b bedeutet dies etwa, dass schon die Kenntnis vom Inhalt der Urkunde und nicht erst die Überzeugung von ihrer Erheblichkeit für ein Wiederaufnahmeverfahren die Frist beginnen lässt (BGH VersR 62, 175, 176; zuletzt LAG Köln v 22.1.20 – 11 Sa 688/18 Rz 16).
Rn 8
Fahrlässige Unkenntnis der Tatsachen schadet nicht. Allerdings darf sich die Partei nicht bewusst der Kenntnisnahme verschließen und eine durch konkrete Anhaltspunkte veranlasste weiter...