Gesetzestext
(1) 1Mit der Musterfeststellungsklage können qualifizierte Einrichtungen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungsziele) zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer begehren. 2Qualifizierte Einrichtungen im Sinne von Satz 1 sind die in § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Unterlassungsklagengesetzes bezeichneten Stellen, die
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als Mitglieder mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 350 natürliche Personen haben, |
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mindestens 4 Jahre in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABI. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind, |
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in Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehmen, |
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Musterfeststellungsklagen nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erheben und |
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nicht mehr als 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen. |
3Bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Voraussetzungen nach Satz 2 Nummer 4 oder 5 vorliegen, verlangt das Gericht vom Kläger die Offenlegung seiner finanziellen Mittel. 4Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllen.
(2) 1Die Klageschrift muss Angaben und Nachweise darüber enthalten, dass
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die in Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen vorliegen; |
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von den Feststellungszielen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen. |
2Die Klageschrift soll darüber hinaus für den Zweck der Bekanntmachung im Klageregister eine kurze Darstellung des vorgetragenen Lebenssachverhaltes enthalten. 3§ 253 Absatz 2 bleibt unberührt.
(3) Die Musterfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn
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sie von einer qualifizierten Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhoben wird, |
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glaubhaft gemacht wird, dass von den Feststellungszielen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen und |
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zwei Monate nach öffentlicher Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage mindestens 50 Verbraucher ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister wirksam angemeldet haben. |
A. Zweck der Vorschrift.
Rn 1
Das Musterfeststellungsverfahren verfolgt wie alle Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes im Wesentlichen drei Zwecke: erstens verbesserte Rechtsdurchsetzung für die Betroffenen, zweitens einen verhaltenssteuernden Effekt durch Überwindung des rationalen Desinteresses (BTDrs 19/2507, 13) und drittens eine Entlastung der Justiz durch einheitliche Feststellungen bei Massenschäden. Für Streuschäden iS sehr kleiner Einzelansprüche erscheint es weniger geeignet, da es mit dem Zwang zur Anmeldung und ggf zur späteren Klageerhebung erhebliche Aktivitäten aufseiten der Betroffenen voraussetzt.
Rn 2
Die Ausgestaltung als Verbandsklage ist in der Furcht vor angeblichen Missbräuchen begründet: Einzelne Betroffene oder ihre Anwälte und Prozessfinanzierer könnten versuchen, Klagen im Profitinteresse zu betreiben; der Gesetzgeber möchte aber nur altruistische Klagen gestatten (BTDrs 19/2507, 22, vgl zum ›Narrativ der Klageindustrie‹ Röthemeyer VuR 20, 130).
B. Klagebefugte Einrichtungen (Abs 1).
Rn 3
Die im Vergleich zu UWG und UKlaG verschärften Anforderungen an die Verbände dienen dazu, den Kreis der Klagebefugten möglichst eng zu begrenzen. Klagebefugt sind nur qualifizierte Einrichtungen iSd § 3 I 1 UKlaG, die zusätzlich die in § 606 Abs 1 S 2 genannten fünf Voraussetzungen erfüllen.
Rn 4
Eine Sonderstellung genießen gem Abs 1 S 4 die Verbraucherzentralen und der vzbv; diese sind unabhängig von den Anforderungen des S 2 stets klagebefugt. Die Privilegierung der öffentlich geförderten Verbände ist nicht auf deutsche Einrichtungen beschränkt, sie gilt auch für im Ausland ansässige, überwiegend öffentlich geförderte Verbände, zB für den europäischen Verbraucherverband BEUC (Brüssel) oder den österreichischen VKI. Sonstige ausländische Verbände sind klagebefugt, sofern sie die Voraussetzungen des Abs 1 S 2 erfüllen.
I. Mitglieder (Abs 1 Nr 1).
Rn 5
Bei den Dachverbänden müssen zehn Mitgliedsverbände organisiert sein. Zur inneren Struktur der Mitgliedsverbände schweigt das Gesetz; in der Summe der Mitgliedsverbände muss aber wohl die Mitgliederzahl von 350 erreicht sein. Bei einem Einzelverband müssen die geforderten 350 Mitglieder nicht aktiv oder stimmberechtigt sein. Jede Art von Mitgliedschaft reicht aus, da die Vereinssatzung Rechte und Pflichten unterschiedlicher Mitgliedergruppen frei regeln kann (Röthemeyer § 606 Rz 35; aA BGH WM 21, 235 [BGH 17.11.2020 - XI ZR 171/19]: nur stimmberechtigte Mitglieder zählen).
II. Eintragung (Abs 1 Nr 2).
Rn 6
Die Eintragung in die Lis...