Prof. Dr. Markus Gehrlein
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Die Interventionswirkung betrifft nicht nur – wie die Rechtskraft – die Richtigkeit der im Urteilstenor ausgesprochenen Rechtsfolge, sondern erstreckt sich auf alle tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der früheren Entscheidung, die sog ›Entscheidungselemente‹ (BGHZ 116, 95, 102 mwN = NJW 92, 1698; BGHZ 8, 72, 82 = NJW 53, 420; Köln NJW-RR 92, 119f). Bei einer Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren kann dem Streitverkündeten im späteren Prozess das Ergebnis der Beweisaufnahme entgegengehalten werden (BGH NJW 15, 559 Rz 14). Bei einem Teilurteil erfasst die Interventionswirkung, weil die in dem Ersturteil getroffenen Feststellungen unteilbar sind, nicht nur den eingeklagten, sondern den gesamten Anspruch (BGH NJW 68, 1480f [OLG Karlsruhe 09.05.1968 - 9 W 7/68]). Kann eine Entscheidung auf mehrere Begründungen – fehlende Vollmacht oder bereits fehlende vertragliche Einigung – gestützt werden, beschränkt sich die Interventionswirkung auf den von dem Ersturteil gewählten Lösungsweg (Köln NJW-RR 92, 119f). Überschießende Feststellungen, auf denen das Ersturteil nicht beruht, nehmen an der Interventionswirkung nicht teil (BGH NJW 15, 1824 Rz 6). Ob es sich um überschießende Feststellungen handelt, ist nicht aus der Warte des Erstgerichts, sondern aus objektiver Sicht zu beurteilen (BGHZ 157, 97 = MDR 04, 464; BGH FamRZ 08, 1435; BGH NJW 15, 559 Rz 20; BSG NJW 12, 956 Rz 17). Nimmt der geschädigte Anlieger den Halter eines von der Fahrbahn abgekommenen PKW nach § 7 StVG wegen der Beschädigung eines Zauns auf Ersatz in Anspruch, so bildet die für die Haftung unerhebliche Annahme eines Verschuldens des Fahrers eine überschießende Feststellung. Eine allein den Streithelfer betreffende (Mehrfach-)Begründung erzeugt keine Interventionswirkung, weil der Streithelfer, wenn die auf die Hauptpartei bezogene Begründung trägt, gehindert ist, die alternative Begründung mit einem Rechtsmittel anzufechten. Entsprechendes gilt für Hilfserwägungen, obiter dicta und bloße Rechtsansichten. Fehlende Feststellungen, die das Gericht hätte treffen müssen, aber nicht getroffen hat, lösen keine Interventionswirkung aus (BGHZ 85, 252, 256 = NJW 83, 820). Keine überschießende Feststellung liegt vor bei Feststellungen zur Begründung der Tierhalterhaftung (BGH NJW 15, 1824 Rz 6). Wurde die Werklohnklage eines Bauhandwerkers mangels Nachweis des Vertragsschlusses gegen den Bauherrn abgewiesen, steht damit noch nicht fest, dass der im Vorprozess beigetretene Generalunternehmer Auftraggeber war (Karls OLGR 05, 629, insoweit unklar BGHZ 85, 252, 255 = NJW 83, 820). Bei gestaffelten Vertragsverhältnissen wie bei einem Werk- und Subunternehmer entfaltet die Entscheidung über für beide Vertragsverhältnisse identische Streitpunkte wie Sach-, Rechts- und Werkmängel Bindungswirkung im Folgeverfahren, also auch hinsichtlich von dem Subunternehmer zu verantwortender Mängel (BGH NJW 15, 559 Rz 20; Ddorf RR 11, 597, 598). Das Beweisergebnis eines selbstständigen Beweisverfahrens entfaltet Bindungswirkung gegenüber dem Streitverkündeten, wenn es im Verhältnis zum Antragsgegner von rechtlicher Relevanz ist (BGH NJW 15, 559 [BGH 18.12.2014 - VII ZR 102/14] Rz 21). Wird im Vorprozess die Klage gegen den Vertretenen mangels Vollmachtnachweises abgewiesen, steht in dem Folgeprozess gegen den Vertreter noch nicht fest, dass es überhaupt zu einer vertraglichen Einigung kam (Köln NJW-RR 92, 119f). Ist der Kl im vorausgegangenen Rechtsstreit aus Gründen der Beweislast unterlegen, steht für den Folgeprozess nur die Unaufklärbarkeit der zu beweisenden Tatsache fest. Nur dies muss sich der Streitverkündete im Folgeprozess entgegenhalten lassen. Ist der vormalige Streitverkündete im Folgeprozess nicht beweisbelastet, dann geht es nicht zu seinen Lasten, dass die streitige Tatsache im Vorprozess nicht bewiesen worden ist (BGH NJW-RR 14, 1379 Rz 29). Hat das Erstgericht wegen Unaufklärbarkeit einer Tatsache eine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Hauptpartei getroffen, kann der Streithelfer, sofern er ebenfalls beweisbelastet ist, wegen der Interventionswirkung im Folgeprozess nicht mehr zum Beweis der Tatsache zugelassen werden (BGHZ 85, 252, 257 f = NJW 83, 820; BGHZ 16, 217, 229 = NJW 55, 625). Trägt hingegen die Hauptpartei auch im Verhältnis zu dem Streithelfer die Beweislast, führt die Beweislastentscheidung des Erstprozesses dazu, dass die Hauptpartei wegen des ›non liquet‹ auch den Folgeprozess verliert (BGHZ 85, 252, 257 f = NJW 83, 820; BGHZ 99, 50, 52f). Dies gilt auch, wenn die Hauptpartei im Erstprozess zu Unrecht als beweispflichtig angesehen wurde, aber im Folgeprozess gegen den Streithelfer die Beweislast trägt (BGHZ 85, 252, 258 = NJW 83, 820). Ist der Kl im Erstprozess mit einer auf fehlende Vertretungsmacht gestützten Klage (§ 179 I BGB) mangels Nachweises der fehlenden Vertretungsmacht unter Verkennung der Beweislast gegen den Vertreter unterlegen, verliert er auch den Folgeprozess gegen den im Erstprozess beigetretenen Vertret...