Gesetzestext
Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.
A. Ratio der Schuldnerschutzanordnungen.
Rn 1
Die Vorschrift schiebt etwaigen Versuchen des Schuldners einen Riegel vor, sich in den Genuss von Schutzanordnungen iSd §§ 711, 712 zu bringen, wenn sich eine Vollstreckung im Nachhinein nicht mehr als materiell unberechtigt herausstellen kann. Die Vorschrift hat dabei den Fall im Blick, in dem eine Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden kann. Denn in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für ein Rechtsmittel ohne jeden Zweifel nicht vorliegen, ist es nicht gerechtfertigt, die Vollstreckung im Interesse des Schuldners weiter aufzuschieben oder einzustellen. Ob § 713 einschlägig ist, muss das Gericht vAw feststellen.
B. Unzweifelhaft unzulässiges Rechtsmittel.
Rn 2
Voraussetzung für die Anwendung der Regelung ist die unzweifelhafte Unzulässigkeit eines für sich genommen statthaften Rechtsmittels. § 713 ist nicht anwendbar bei Urteilen, die mit der Verkündung rechtskräftig werden, sondern nur bei vorläufig vollstreckbaren Entscheidungen (Brocker DGVZ 95, 6). Bei erstinstanzlichen Urteilen ist das der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 511 II vorliegen, also der Wert der Beschwer nicht erreicht oder die Berufung nicht zugelassen wurde (BGH NJW 11, 926 [BGH 10.02.2011 - III ZR 338/09]). Bei Berufungsurteilen, gegen die die Revision nicht zugelassen wurde, handelt es sich bis zu der Höhe um ein unzweifelhaft unzulässiges Rechtsmittel iSv § 713, in der die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 von einer Wertgrenze abhängt (§ 26 Nr 8 EGZPO bis einschl 31.12.14: 20.000 EUR). Allein bei solchen Berufungsurteilen, gegen die die Nichtzulassungsbeschwerde stattfindet, die aber die Wertgrenze nach der EGZPO übersteigen, darf das Berufungsgericht Schuldnerschutz nicht wegen § 713 verwehren.
Rn 3
Auch die Anschlussrechtsmittel nach §§ 524, 554 eröffnen grds den Anwendungsbereich der Vorschrift (aA Musielak/Lackmann § 713 Rz 3 für die unselbstständige Anschlussberufung). Das Gericht muss seine Prüfung auf die Frage der unzweifelhaften Unzulässigkeit des Rechtsmittels beschränken. Das Vorliegen weiterer Zulässigkeitsvoraussetzungen kann bei Erlass des Urteils ohnehin nicht festgestellt werden. Ob das Rechtsmittel (offensichtlich) unbegründet ist, hat außer Betracht zu bleiben.
C. Entscheidung.
Rn 4
Das Gericht trifft die Entscheidung nach § 713 vAw. Der Beurteilungsspielraum, den die Vorschrift einräumt (›soll‹), bezieht sich nicht darauf, ob den Schuldnerschutzanträgen der §§ 711, 712 entsprochen wird oder nicht, sondern nur auf das Kriterium ›unzweifelhaft‹. Soweit das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass ein Rechtsmittel unzweifelhaft unzulässig ist, hat es nach § 713 zu prozedieren und von Schutzmaßregeln zugunsten des Schuldners abzusehen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist vielmehr nach Maßgabe der §§ 708, 709 vorzunehmen.