Rn 9
Die Räumungsfrist nach Abs 1 wird in einem Urteil angeordnet, das stets nach mündlicher Verhandlung ergeht. Sie ist im Tenor auszusprechen und muss auch dann begründet werden, wenn sie in einem Versäumnisurteil erfolgt (MüKoZPO/Götz § 721 Rz 6). Bei Zurückweisung des Antrags ist eine Erörterung in den Entscheidungsgründen ausreichend. Wurde ein Antrag rechtzeitig in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt, aber nicht beschieden, kommt Urteilsergänzung nach § 321 in Betracht (Abs 1 S 3). Wurde kein Antrag gestellt und unterblieb die Entscheidung vAw, sind dagegen allein Berufung und sofortige Beschwerde nach Abs 6 Nr 1 statthaft (St/J/Münzberg § 721 Rz 21). Nicht etwa kann ein isolierter neuer Antrag gestellt werden (LG Rostock NJW-RR 01, 442, 443; Musielak/Lackmann § 721 Rz 9). Wurde in der 1. Instanz eine Räumungsfrist nicht beantragt, scheidet eine Ergänzung des Urteils aus. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung kann in diesem Fall nur nach §§ 719 I, 707 verlangt werden (Köln MDR 80, 764; zur Einstellung in der Revisionsinstanz BGH WuM 03, 710). Bei Verurteilung des Mieters zur Räumung in der ersten Instanz kann das Berufungsgericht die Räumungsfrist nicht nur im Berufungsurteil oder in einem die Berufung des Mieters zurückweisenden Beschluss nach § 522 II 1 gewähren, sondern auch in einem isolierten Beschluss während des noch laufenden Berufungsverfahrens (LG Berlin MDR 16, 548 [OLG Celle 19.02.2016 - 8 W 15/16]). Entscheidungen nach Abs 2 und Abs 3 ergehen auf der Grundlage einer fakultativen mündlichen Verhandlung nach § 128 IV im Wege des Beschlusses. Es besteht Begründungspflicht. Dem Gegner ist vor der Entscheidung nach Abs 4 S 3 rechtliches Gehör zu gewähren; eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist auf der Grundlage von Abs 4 S 4 und § 732 II möglich.
Rn 10
In der stattgebenden Entscheidung sollte die Räumungsfrist, um Unklarheiten zu vermeiden, nach Möglichkeit immer nach dem Datum bestimmt werden. Eine Mindestfrist gibt es nicht; eine Räumungsfrist von einem Jahr ist die Höchstdauer (Abs 5 S 1). Die Frist läuft nach Abs 5 S 2 ab Rechtskraft des Urteils oder ab dem Tag der vorgesehenen Räumung, wenn diese auf einen späteren Zeitpunkt datiert ist. Vertragliche Vereinbarungen über den gerichtlich gewährten Räumungsschutz hinaus sind zulässig. Die Höchstgrenze sind zwei Jahre (Börstinghaus WuM 06, 292 [AG Hamburg 26.10.2005 - 46 C 89/05]). Die Räumungsfrist kann jedenfalls dann nicht bedingt ausgesprochen werden, zB von der Zahlung der laufenden Nutzungsentschädigung abhängig gemacht werden, wenn sie erstmalig gewährt wird (LG Berlin GrundE 1991, 881; LG Hamburg WuM 1992, 491, 492 [LG Hamburg 02.01.1991 - 311 T 118/90] bei Fristverlängerung; aA LG Hamburg WuM 1990, 216 [LG Hamburg 11.01.1990 - 16 T 128/89]). Der Bestand des Vollstreckungsschutzes steht in keinem inneren Zusammenhang mit der Erfüllung weiterer Verbindlichkeiten. Beides über eine Bedingung zu verbinden, erscheint als inkonnex. In Betracht kommt allein eine Verkürzung der Frist nach Abs 3. Zieht der Schuldner aus der Wohnung aus, bevor die gerichtlich gewährte Räumungsfrist abgelaufen ist, muss er das dem Gläubiger rechtzeitig mitteilen (LG Mönchengladbach DWW 92, 215). Die Bewilligung der Räumungsfrist hat auf Bestand und Dauer des Mietvertrags grds keine Auswirkungen (Hamm NJW 82, 341). Allerdings muss bei Zeitmietverhältnissen iSv § 575 BGB, die durch fristlose Kündigung beendet werden, darauf geachtet werden, dass die Räumungsfrist die vertraglich festgelegte Mietdauer nicht überschreitet (Abs 7 S 2). Lässt das erkennende Gericht die gesetzliche Höchstdauer bei der Bestimmung der Räumungsfrist außer Acht, gilt dennoch die vom Gericht bestimmte längere Frist. Vollstreckungsschutz nach § 765a wird unabhängig von § 721 gewährt (MüKoZPO/Götz § 721 Rz 6 aE). Vollstreckungsrechtlich begründet die Räumungsfrist eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung iSd § 751 I (s Rn 1). Sie hat auch materiell-rechtliche Wirkungen: Zwar begründet sie weder ein Besitzrecht noch eine sonstige Nutzungsbefugnis (krit Bosch NZM 09, 530, 532), hat aber die haftungsrechtliche Folge des § 546a BGB. Der Nutzungsberechtigte schuldet hiernach nur die Nutzungsentschädigung, keinen weitergehenden Schadensersatz, § 571 II BGB. Ob der Anspruch aus § 546a BGB mit denjenigen aus §§ 987 ff BGB real konkurriert, ist str (dafür PWW/Feldhahn § 546a BGB Rz 15; differenzierend Palandt/Weidenkaff § 546a BGB Rz 20).
Rn 11
Für die Entscheidung über die Kosten gelten für Urteile und Beschlüsse die allgemeinen Kostentragungsregeln nach §§ 91 ff, im Urteilsverfahren ist zusätzlich § 93b III zu beachten. Die Kosten sind also weder solche des vorangegangenen Rechtsstreits noch der Zwangsvollstreckung (LG Konstanz MDR 67, 307 f; Musielak/Lackmann § 721 Rz 9; aA LG München I WuM 82, 81). Der Streitwert orientiert sich am Miet- oder Nutzungswert für die beantragte Räumungsfrist oder Fristverkürzung (Mack ZMR 13, 698). Gerichtsgebühren fallen erstinstanzlich we...