Gesetzestext
In den Fällen des § 726 Abs. 1 und der §§ 727 bis 729 kann der Schuldner vor der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung gehört werden.
A. Ratio und Systematik.
Rn 1
Der Schuldner hat zwar im Verfahren vor dem Rechtspfleger (nicht aber in den Fällen der Klauselerteilung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 724s § 724 Rn 10) einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Anhörung vor der Erteilung einer sog qualifizierten Klausel. Allerdings ergibt sich dieser Anspruch nicht aus Art 103 I GG, sondern aus dem rechtsstaatlichen Grds eines fairen Verfahrens (BVerfGE 101, 397 mit abl Anm Gottwald FamRZ 00, 1477; krit auch MüKoZPO/Wolfsteiner § 730 Rz 1 f; Münzberg Rpfleger 91, 161: Art 103 I GG, weil es sich um Rspr handele). Das Anhörungsrecht des Schuldners wird jedoch in § 730 im Interesse eines raschen Vollstreckungsverfahrens dadurch stark eingeschränkt, dass die Durchführung einer Anhörung in das pflichtgemäße Interesse des funktionell zuständigen Rechtspflegers gestellt wird (›kann‹; BGH MDR 06, 52 [BGH 05.07.2005 - VII ZB 23/05]). Der Schuldner ist damit grds darauf verwiesen, seine Einwendungen mit der Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach §§ 768, 732 geltend zu machen. Er wird also erst nach der Klauselerteilung gehört, was den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (BVerfGE 9, 89 [BVerfG 08.01.1959 - 1 BvR 396/55]; 18, 399 [BVerfG 09.03.1965 - 2 BvR 176/63]; 51, 97 [BVerfG 03.04.1979 - 1 BvR 994/76]). Immerhin kommt § 732 II den Interessen des Schuldners insoweit entgegen, als der Richter vorab nachprüft, ob seine Einwendungen berechtigt erscheinen und die Einstellung der Zwangsvollstreckung begründen können.
B. Tatbestand.
Rn 2
Die Vorschrift regelt das Anhörungsrecht nicht abschließend. Neben §§ 726 I, 727 bis 729 verweisen die §§ 738, 742, 744 sowie §§ 744, 745 II auf § 730. Den Fällen ist gemeinsam, dass sie von der zuständigen Stelle eine Prüfung von Tatsachen abverlangen, die sich nicht aus dem Urt selbst ergeben. Die Normen regeln daher alle den Fall der Anhörung vor der Entscheidung. Dem entspricht, dass stets die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers nach § 20 Nr 12 RPflG gegeben ist. Vor der Entscheidung ist eine Anhörung auch im Anwendungsbereich des § 733 (Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung) möglich. Eine vollständige Reduzierung des Ermessens, das der Rechtspfleger im Hinblick auf die Durchführung der Anhörung hat (s Rn 1), kommt nur ganz ausnahmsweise in Betracht. So kann der Rechtspfleger im Rahmen seiner Ermessensausübung zur Durchführung der Anhörung iRd § 727 verpflichtet sein, wenn der Antragsteller substanziiert darlegt, dass und aus welchen nachvollziehbaren Gründen zu erwarten ist, dass der Schuldner die Rechtsnachfolge zugestehen und der bisherige Gläubiger der Klauselerteilung zustimmen werde (BGH Rpfleger 05, 611 [BGH 05.07.2005 - VII ZB 23/05]; Stuttg Rpfleger 05, 207; s § 727 Rn 15). Die Anhörung des ›neuen Schuldners‹ dient auch der Vermeidung einer Klage nach § 731 (Hamm Rpfleger 91, 161 [OLG Hamm 12.06.1990 - 25 W 1/90] mit Anm Münzberg; LG München Rpfleger 97, 394). Über den unmittelbaren Anwendungsbereich von § 730 hinaus, der sich nur mit der Anhörung des Schuldners befasst, besteht in den Fällen des § 727 ein Anhörungsrecht des Altgläubigers, dessen Titel umgeschrieben wird, aus allgemeinen Grundsätzen (St/J/Münzberg § 730 Rz 3; Zö/Seibel § 730 Rz 1 aE). Ob man freilich soweit gehen kann, die (vorherige) Anhörung ›in allen zweifelhaften Fällen‹ als das probate Mittel zu empfehlen (Musielak/Lackmann § 730 Rz 2), ist problematisch. Denn die gesetzgeberische Konzeption ist im Interesse einer effektiven Zwangsvollstreckung gerade eine andere (keine Pflicht zur Anhörung; nachträgliche Berücksichtigung von Einwendungen des Schuldners nach §§ 768, 732, s Rn 1).